Der australische Gruß

Alles was so kreucht und fleucht Down Under.
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ditido
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Der australische Gruß

Post by ditido »

Der australische Gruß
Wenn Sie im Fernsehen ein Interview mit irgendeinem Australier sehen, achten Sie doch bitte ganz genau auf seine Hände. Aller 30 Sekunden hebt er die rechte oder linke Hand bis zur Wangenhöhe, um dann den Arm mit einer winkenden Bewegung aus dem Handgelenk fallen zu lassen. Das ist kein Zeichen eines Geheimbundes, das ist auch kein versteckter Erkennungsgruß einer Sekte oder sonstigen Vereinigung. Nein! Das ist der australische Gruß!
Unbewusst gehen die Aussies immer wieder mit der Hand am Gesicht vorbei, um Fliegen zu verjagen. Einige Politiker sind mittlerweile so professionell, dass sie beim Fernsehauftritt die Fliegen auf ihrem Gesicht herumspazieren lassen. So etwas kann ein deutscher Tourist natürlich nicht nachvollziehen. Australien ist der Kontinent der Fliegen! Das hat im 17. Jahrhundert schon der Engländer Dampier erkannt als er an die Admiralität schrieb „Hier gibt es nichts außer Sand und Fliegen!“ So sind auch australische Reiseleiter der Meinung „Wer Fliegen nicht ertragen kann, der soll zu Hause bleiben! “
Wir bereisten seit 1994 mehrmals den roten Kontinent. Hatten nirgendwo, nicht einmal im roten Zentrum, Probleme mit den Fliegen. Diesmal 2003 traf es uns voll. Die Ursache für die starke Vermehrung der Fliegen in Australien sehen die Wissenschaftler in den örtlichen Gegebenheiten, nämlich der Hitze, dem überall im Outback herumliegenden Kot und den vielen Kadaver. Der Kampf gegen „diese ältesten Ureinwohner“ ist zwecklos. Man kann nur versuchen, sich ihrer zu erwehren. Man kann sie niemals loswerden.
Ich glaube nicht, dass der regelmäßige Genuss von Steaks und Bier eine Körperausdünstung schafft, die Fliegen unangenehm ist. Ebenso halte ich diese Vitamin B Komplex Einnahme für sinnlos. Der mechanische Schutz durch Netze ist in der Natur das Beste. Fliegengitter an den Fenstern und gegebenenfalls Sprays sind das Mittel der Wahl für geschlossene Räume. Malerisch sehen die Hüte aus, an deren Krempen Kordeln baumeln, die durch das Hin- und Herbaumeln die Fliegen verjagen sollen. Wenn Fliegen aber nach kurzer Zeit sich nicht mal mehr durch die Handbewegungen vertreiben lassen, so lachen die doch schon bald über diese Kordel. Fliegennetze sind der Geheimtipp! Am besten schon in Deutschland über auf Australien spezialisierte Geschäfte besorgen. In Australien bekommt man diese meist in Souvenirläden. Sogar viele Australier haben uns gefragt, wo wir unsere Netze gekauft haben. Aber die Einheimischen wissen sehr wohl, dass man Fliegern, solange sie nicht in Mund, Nase oder Ohren kriechen, in Ruhe lassen soll. Zu viele und zu hektische Bewegungen locken die Biester nur noch an. Manchmal hilft auch, den Kopf in die Windrichtung zu drehen. Wind mögen die Fliegen nicht. Sie suchen dann auf geschützteren Partien, wie den Rücken, einen neuen Platz. Dort sollte man sie lassen. Wind gibt es in Down under immer und überall. Die Australier haben natürlich früher auch versucht, der Fliegeninvasion Herr zu werden. Aus der Erkenntnis, dass besonders bei Rinderfarmen ganze Heerscharen von Fliegen leben, versuchte man mit der Einführung des afrikanischen Mistkäfer nach Australien den Fliegen die natürliche Ernährungsgrundlage, nämlich die Kuhfladen, zu entziehen. Wie bei den Agakröten, bei den Füchsen, bei den Kaninchen war auch das ein Fehlschlag. Man lernte erst nach der Umsiedlung der Mistkäfer, dass diese stets im Frühsommer beginnen, Kuhdung zu verarbeiten. Den Fliegen, die aber schon im Frühjahr schlüpfen, macht das dann nichts mehr aus.
Wir lernten, uns für die oft über 50 und mehr Fliegen auf unseren Rücken immer erst beim Wiedereinstieg ins Auto zu interessieren. Die paar Unverbesserlichen, die mit ins Auto kamen, haben wir entweder getötet oder durch das Öffnen beider Vorderfenster bei der Fahrt vertrieben. Die Erfahrung, dass die Fliegen bei eingeschalteter Klimaanlage inaktiv werden, kann ich nicht bestätigen. Entfernen ist besser.
Das Fliegennetz befindet sich entweder schon am Hut oder aber man stülpt es darüber. Am besten eigenen sich dazu Hüte mit einer breiten Krempe. Natürlich wären Moskitonetze besser, dann da können die Fliegen nicht durch die Maschen kriechen. Diese Netze sind für einen Ausflug wegen des Hitzestaues ungeeignet.
In einem australischen Buch habe ich mal gelesen, dass die Aborigines auch in Eintracht mit den Fliegen leben. Sie können die Europäer mit den hektischen Abwehrmaßnahmen nicht verstehen. Nach Meinung der Ureinwohner gibt es keine bessere Reinigung für Ohren und Nase, als die krabbelnden und ein Gewebe abbauendes Enzym ausscheidenden Fliegen. Das ist wahres Heldentum. Das versteht man vielleicht auch unter „im Einklang mit der Natur leben?“ Ich wurde trotz Vorsatz jedes Mals hektisch, wenn so ein Unhold in meine Nase zu krabbeln versuchte. Ich bin wohl kein Naturmensch!
Die kleinen aggressiven Schmeißfliegen (Blowies oder korrekt Blow- Flies), nennen viele Deutsche auch Buschfliegen. Sie wurden in Millionen Jahren von der Natur hervorragend zu universellen Flugobjekten modelliert. Und sie sind viel schneller, wendiger und lästiger als die deutschen Fliegen. Sie beißen selten, sind aufdringlich und überwinden auch die Löcher in den Maschen der Netze. Hitze ist ihr Element. Wind und Kälte mögen sie nicht so sehr. Deswegen grillen viele Australier erst zu Beginn der kühleren Abendstunden.
Schlimmer noch sind die Sandfliegen (March Flies). Diese Unholde beißen richtig zu und man hat noch Tage danach Rötung und Schmerzen. Die Marchies lieben die Farbe Blau. So sollte man bei Ausflügen immer Personen meiden, die einen blauen T-Shirt tragen und von Fliegen umgeben sind, damit die Beißer nicht den Wirt wechseln. Viel zu spät habe ich das erfahren.
Manche Australier benutzen die Anwesenheit der Fliegen als Ausrede für ihr langsames Arbeiten. Da angeblich Schweiß die Fliegen anlockt, sollte man jedwede körperliche Betätigung langsam und gemächlich, auf keinen Fall schweißtreibend durchführen. Sagen sie.
Von den Moskitos (Mozzies) sind wir erfreulicherweise verschont worden. Wir haben aber in einigen Unterkünften mit Moskitonetze über den Betten geschlafen.
Die Fliegen sind nicht nur eine belästigende Zugabe für die Menschen, nein sie verursachen auch jährlich großen wirtschaftlichen Schaden. Fliegen beeinträchtigen den Gesundheitszustand der Schafe und sind auch überwiegend die Ursache für deren hohe Sterblichkeit. In schlimmen Jahren waren von den 134 Millionen Schafen bis zu 14 Millionen (10 %) durch Fliegen befallen. Davon starben drei Millionen. Die Fliegen legen ihre Eier angelockt durch den Geruch am Hinterteil des Schafes ab. Unter günstige Bedingungen schlüpfen die Larven innerhalb eines Tages und verletzten vielfältig die Haut des Tieres. Dadurch werden weitere Fliegen angelockt und es kommt ein Teufelskreislauf zustande, an dessen Ende der Tod des Schafes durch Infektion oder Unterernährung oder psychischer Erschöpfung steht. Wer die Möglichkeit hat das Buch „Matildas letzter Walzer“ von Tamara McKinley zu lesen, dem wird neben der interessanten Story, der packenden Beschreibung des Lebens im Outback auch das Problem der Fliegenprophylaxe bei Schafen anschaulich erklärt.
Da das Hinterteil der Schafe eine gefährdete Stelle ist, muss die Wolle um den After vor dem Scheren entfernt (Crutching) werden. Kein professioneller Schafscherer würde ein nicht so vorbehandeltes Tier scheren. Oder nur für das doppelte Salär. Das ist ein Schutz vor Fliegenbesiedlung, der ungefähr sechs Wochen anhält und durch die Schur noch verstärkt wird. Die chemischen Behandlungen des Schafes vor oder nach der Schur sind nicht mehr so effektiv wie früher, da die Fliegen sich natürlich angepasst haben.
Mittel der Wahl ist in Australien heute die Mule’s Operation (Mulesing), die bei 80 % der Schafe durchgeführt wird. Den armen Tieren werden dabei ohne Lokalbetäubung drei bis fünf Hautfalten in Hinterteil und Schwanzgegend mit Scheren abgeschnitten. Die heilenden Wunden vernarben innerhalb von 4 Wochen und bilden dann, wenn keine Infektion dazu kommt, eine glatte faltenlose Hinterpartie.
Ein Grund mehr, bessere Schutzmethoden zu entwickeln.
Bei den Fliegen ist ein Nachteil, dass man ihnen leider nicht aus dem Weg gehen kann. Die besten Vorsichtsmaßnahmen schützen nicht vor ihnen.
Time cures all things

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