Aspekte der Rassenpolitik der Australier bis 2007

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ditido
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Aspekte der Rassenpolitik der Australier bis 2007

Post by ditido »

Die Rassenpolitik der Australier

Mit der Gründung des australischen Staates 19001 zementierte die gesetzgebende Versammlung in der Verabschiedung der Verfassung auch die Rassentrennung. In den 128 Paragraphen erscheint der Name der Ureinwohner nur zwei Mal. Das wissen die meisten Australier nicht. Und das interessiert sie scheinbar auch nicht. In §56, 16 steht, dass für die Ureinwohner besondere Gesetze gemacht werden müssen. Und in §127 wird festgelegt, die Ureinwohner bei Volkszählungen nicht mitzuzählen. Durch die Verfassung erhielten die Länder Gesetzeshoheit über die Ureinwohner, die seit 1902 auch vom Wahlrecht ausgeschlossen waren. Und die Jagden, die Vertreibungen und die Verschickung in Reservate waren nach der neuen Verfassung rechtmäßig.
Das Wahlrecht erhielten 1949 einige „auserwählte Ureinwohner“ So die, die im Militär gedient hatten, oder auch die, denen auf Landesebene besondere Verdienste anerkannt wurden. Formal wurden die Ureinwohner erst ab 1960 australischen Staatsbürger. Und erhielten 1962 allgemeines Wahlrecht auf Bundesebene. Das blieb aber bis 1967 eine Farce. Erst mit Bildung des immer noch umstrittenen "Referates für Aboriginal Angelegenheiten" wurde zumindest das Wahlrecht legalisiert und richtet sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die 10fach höhere Säuglingssterblichkeit bei den Ureinwohnern. Und der innenpolitische Streit geht seit Jahren um den Verbleib der Milliarden Dollar, die der australische Staat zur Lösung der medizinischen Probleme zur Verfügung stellte.
1978 ermöglichte die „Aboriginal Land Rights (Nothern Territory) Act erstmals den Ureinwohnern, Landansprüche auf die ehemaligen Stammesgebiete und zeremoniellen Plätze zu stellen. Die darauf einsetzende Polemik würde Bücher füllen.
1980 begann die etappenweise Aufhebung der Rassentrennung in den Schulen. Wie gesagt in Etappen!
Ein großer Erfolg für den Kampf um Gleichberechtigung der Ureinwohner war 1985 die Rückgabe von Ayers Rock (Uluru) an die ursprünglichen Besitzer. Und wer Interesse hat kann sich sicherlich beim Literaturstudium über die Vorgehensweise und die Motive beider Seiten, den Nationalpark dann sofort für 99 Jahre an die Weißen zu verpachten, wundern oder amüsieren.
1991 ist dann das große Jahr der gegenseitigen Anerkennung in der Innenpolitik der australischen Regierung. Die RECONCILLATION (We had no rights!) sollte ein Markstein in der Beziehung zu den Ureinwohnern sein.
Doch die Probleme, die bei der Rückgabe des Uluru schon offensichtlich wurden, verschärften sich 1993 als mit dem Mabo Gesetz „Terra nullius“ aufgehoben wurde. Innerhalb kurzer Zeit landeten bei der australischen Regierung Rückgabeansprüche der Ureinwohner auf 40 % des Landes. Die derzeitigen Besitzer sollten zwar nicht vertrieben werden, aber die Ureinwohner wollten das Durchgangsrecht, das Recht auf Jagd in dem Gebiet und die Freiheit zur Durchführung zeremonieller Treffen. Welch eine „Freude" unter den weißen Landbesitzern.
Die Regierung geriet in Handlungszwang. Und löste die Sache salomonisch. Zunächst wurde ab dem 26. Mai 1998 der „Sorry Tag“ eingeführt. Die ehrliche Meinung der Ureinwohner darüber verkneife ich mir. Denn da gab es 1998 ja noch das WIK Gesetz. Und das schränkte die Forderung auf Landrückgabe ein. Ausgenommen sind seitdem Gebiete, die vom Staat an Siedler oder Bergbaugesellschaften verpachtet sind (Uranproblem!!). Dafür gäbe es nach Prüfung eventuell eine finanzielle Entschädigung, die aus Steuereinnahmen nach Möglichkeit finanziert werden sollen.
Viele der Ansprüche laufen seitdem.
So war es erstaunlich und erfreulich, dass im Januar 2007 die Ureinwohner ihre Rechte auf die Regenwälder (60 Tausend Km²) an der australischen Ostküste zurück erhielten. Jetzt dürfen sie dort Fischen, Jagen und die National Parks verwalten. Die Ureinwohner sehen hier eine Chance ihr finanzielles, gesundheitliches und Bildungsdefizit zu verbessern. Mit dem „Native Title Service“ scheint eine starke Institution diese Ziel zu verfolgen. Warten wir ab. Auch auf die Reaktion der bisherigen alleinigen weißen Nutzer. Da neben Byron Bay weitere beliebte und lukrative Städte und Touristenstrände betroffen sind.
Denn die allgemeine Stimmung bei den Weißen ist nicht so, wie wir es oft in positiven Berichten lesen. 1999 lehnte das Parlament ab, in die Präambel der Verfassung aufzunehmen, dass das Aboriginal People das erste Volk in Australien war.
Dem folgte zwar ab 2000 mehrere Protestmärsche. Und auch die Wortmeldungen prominenter weißer Australier, Aber wer das Ohr an der Masse hat, weiß dass die Zustimmung zur vorbehaltlosen Gleichberechtigung noch ein weiter Weg sein wird.
Die Unruhen in Redfern halte ich für politisch falsch bewertet. Der Anlass mit dem Tod eines jungen Aboriginals war tragisch, hätte aber bei einem weißen Jungen auch passieren können. Wir haben zu dieser Zeit in Redfern gewohnt. Das Viertel in dem die Unruhen ausbrachen ist eine Art Slum, im dem Ureinwohner, Arbeitsscheue, Stadtstreicher, Randalierer und ewig Unzufriedene, wirtschaftlich und gesellschaftliche Gescheiterte wohnen. Als wir zwei Tage vor den Krawallen da durch gingen, schlug uns eine Woge von Hass und Misstrauen entgegen. So schnell wie möglich beendeten wir die „Besichtigung“.
Aber die Unruhen hatten auch etwas Gutes. Es gibt jetzt einen Jahrestag des Freiheitskampfes des Volkes der Ureinwohner, dem sich auch Weiße anschließen. Die Protestzelte 2004 gegenüber dem Parlament in Canberra waren Ausdruck der friedlichen Unzufriedenheit. Kein Polizist hätte gewagt, dagegen etwas zu unternehmen. Und nur so funktioniert eine Demokratie.
Je mehr die Ureinwohner ihr Recht auf Bildung einklagen und wahrnehmen, umso eher werden sie mit demokratischen Mitteln sich der Gleichberechtigung nähern.
Über eine neue Strömung bei den Ureinwohnern, nämlich den Wunsches nach Anerkennung noch mehr zu präzisieren, habe ich im Artikel zum Australia Day schon ausführlich Stellung bezogen.
ditido
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Der 40. Jahrestag der "Gleichberechtigung" der Ure

Post by ditido »

Der 40. Jahrestag der Gleichberechtigung der Ureinwohner

1967 sollte eigentlich ein historisches Jahr sein, Damals, vor 40 Jahren sprachen sich 91 % der weißen Australier in einer Urabstimmung dafür aus, den Ureinwohnern die volle Staatsbürgerschaft zu geben.
1976 war auch das Jahr, wo das schon bald ziemlich in die Kritik geratene Referat für Aboriginal Angelegenheiten gegründet wurde. Anlass war die damals schon fast peinliche Säuglingssterblichkeit, die 10 Mal höher war, als bei den weißen Australiern. Mehrere Milliarden Dollar wurden seitdem dem Referat für Aboriginal Projekte zur Verfügung gestellt. Und noch heute streiten die Innenpolitiker, wo das Geld geblieben sei. Nicht nur von Missmanagement, nein auch von Unterschlagung wird gesprochen.
Aus Anlass des 40. Jahrestages der „Gleichberechtigung“ betonten mehrere Redner, dass sich an der Situation der Ureinwohner nicht viel geändert habe. Und die Sprecher der Ureinwohner forderten erneut die unumschränkte Rückgabe des beantragten Landes. Nicht um es selber zu bewirtschaften, sondern um am gewinn aus Landwirtschaft und zum Beispiel Bergbau beteiligt zu werden
Bemerkenswert fand ich dabei die Ausführungen des PM Howard in Canberra. Natürlich wies er diese Forderungen konsequent zurück. Aber auch er analysierte, dass die erwartete Verbesserung der Lebensqualität nicht erreicht wurde. Und stellte eine weitere Förderung in Höhe von 3,5 Milliarden AUD in Aussicht. Und dann kam er zu einer grundlegenden Zukunftsanalyse:
„Die Aborigines sollen sich nicht auf entlegenem Landbesitz vom Rest der australischen Gesellschaft abschotten, sondern die Integration suchen. Andernfalls werden sie nie aus der Armutsfalle herauskommen.”
Diese Rede wurde mehrmals von Zwischenrufern, die Howard Völkermord vorwarfen, unterbrochen.
Es schient sich in DU eine neue Ebene der Auseinandersetzung Weiß gegen Schwarz zu entwickeln. Scheinbar wollen die Ureinwohner nicht aktiv an der Integration teilnehmen. Sondern sie wünschen nur am finanziellen Erfolg der weißen zu partizipieren. Das würde aber unweigerlich wieder zu einer totalen Ablehnung der Ureinwohner auch von den noch für sie kämpfenden weißen Australiern führen.
Dass wäre Öl ins Feuer der Meinung eines großen Prozentsatzes der Australier, die Ureinwohner sollten kein Geld mehr fürs Nichtstun bekommen. Sie sollten gefälligst arbeiten.
Sollte diese angedeutete Kluft vertiefen wäre das ein Rückschlag für alle Bewohner Australiens, gleich welcher Herkunft, bei ihren Bestrebungen für ein normales Miteinander in der Gesellschaft.
Das Klima in Down under im Jahr 2007 wird also nicht nur von der Dürre, sondern auch vom möglichen Frost in den Beziehungen zwischen weißen Australiern und Ureinwohnern geprägt werden.
ditido
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Gienny
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Post by Gienny »

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Als das Verfassungsreferendarum 1967 den Aboriginals volle Bürger- und Wahlrechte zusprach, wurde im selben Jahr als Symbol des Kampfes um die Landrechte eine Aboriginal-Flagge mit einem rot-blauen Feld und einem gelben Kreis in der Mitte entworfen.
Ein Vieteljahrhundert verging, ehe der nächste große Schritt hin zur Anerkennung von Aboriginal-Rechten folgte.
1992 entschied der Oberste Gerichtshof Australiens, dass der Kontinent nicht Terra nullus (Niemandsland) gewesen war, als Captain Cook ihn 1770 beanspruchte, dass vielmehr die eingeborenen Stämme einen legalen Anspruch darauf gehabt hatten und sie enteignet worden waren. Die Verfügung wurde als "Mabo Ruling" bekannt, nach dem Torres-Strait-Insulaner Eddie Maboe, der die Klage vorbrachte. Die Aboriginals, die ununterbrochen Kontakt mit ihrem Land vorwiesen, konnten demnach Land von der Krone beanspruchen.
1996 bestimmte eine weitere wegweisende Verfügung des Obersten Gerichtshofs, die "Wik Decision", dass der Landanspruch der Aboriginals auch bei Bergbau- und Weideverpachtungen seine Gültigkeit behält. Dies löste einen Tumult aus. Farmer und Bergbauunternehmer verlangten ein Gesetz, das ihre Rechte und Investitionen schützen sollte, und die Aboriginals bestanden darauf, dass die Regierung die Verfügung ihres eigenen Obersten Gerichts befolgt.
Die Debatte hält noch an, aber jedem in Australien ist klar, dass man nicht länger die Vergangenheit ignorieren kann. Die Mabo- und die Wik-Verfügung veränderten für immer die Beziehung zwischen Aboriginal und den seit 1788 eingewanderten Neuastraliern und gaben der Versöhnung auf der politischen Agenda höchste Priorität.
Doch nach wie vor ist es hart, Aboriginal zu sein. Zwei Jahrhunderte der "Zivilisation" bedeuteten für Australiens eingeborene Völker einen tiefen Sturz. Ihre Säuglingssterblichkeit ist dreimal so hoch wie die der restlichen Australier, ihre Lebenserwartung um 15 Jahre geringer, Alkohol- und Drogenmißbrauch sowie Fastfood fordern ihren Tribut. Aboriginals leiden unter Alkoholismus, Tuberkulose, Herzkrankheiten, Hepatitis und Diabetes in viel höherem Maße als der Rest der australische Bevölkerung. Ihre Arbeitslosigkeit liegt bei über 50%, und sie haben eine 16-fach höhere Wahrscheinlichkeit, inhaftiert zu werden.
Statistiken erzählen jedoch nicht die ganze Geschichte. Einige Aboriginal-Gemeinden erhalten ihr kulturelles und musikalisches Erbe sowie das unvergleichliche Wissen über das Land, und ihre Ältesten achten auf strikte Disziplin. Viele dieser Gemeinden findet man in entlegenen Regionen außerhalb der Touristenwege. Immer öfter öffnen sie jedoch ihre Türen, um Außenstehenden einen Blick auf ihre althergebrachte Kultur zu ermöglichen und um Brücken zwischen den Rassen zu bauen.

LG:Gienny
"I speak the truth, not so much as I would, but as much as I dare; and I dare a little more, as I grow older."

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Markus
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Re: Aspekte der Rassenpolitik der Australier bis 2007

Post by Markus »

Hallo!
ditido wrote:Zunächst wurde ab dem 26. Mai 1998 der „Sorry Tag“ eingeführt.
Heute ist übrigens der "Sorry Day".
Sydney Morning Herald wrote:Indigenous Affairs Minister Jenny Macklin used Sorry Day to release an eight-page policy paper titled Stolen Generations Working Partnership.

It aims to improve care provided to members of the stolen generations by both government and non-government organisations.
http://news.smh.com.au/breaking-news-na ... -wdfp.html

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Markus
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Re: Aspekte der Rassenpolitik der Australier bis 2007

Post by Markus »

Hallo,

der National Sorry Day am 26.05. steht in Kürze wieder an.
Ich bin gespannt, wie sich die Situation dieses Jahr (hoffentlich) weiterentwickelt.

MyJuliet
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Re: Aspekte der Rassenpolitik der Australier bis 2007

Post by MyJuliet »

Yes,I think so..

great interview! Thanks for the news.

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