Was haben die Ureinwohner mit den Ortsnamen in DU zu tun?

Versuch einer beschreibenden Analyse - Situation der Ureinwohner in Vergangenheit und Gegenwart / Hier wird nur gelesen, Diskussionen bitte im Forum "Land und Leute / Teil 1" oder im Thema "Geschichten der Ureinwohner Australiens".
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ditido
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Was haben die Ureinwohner mit den Ortsnamen in DU zu tun?

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Was haben die Ureinwohner mit den Ortsnamen in DU zu tun?
Die Entstehung der Ortsnamen in Australien ist, wenn der Name von den Kolonisten aus Heimweh, nationaler Überzeugung oder mit der Absicht, sich die Gunst eines verantwortlichen britischen Minister zu „erkaufen“ gegeben wurde, relativ einfach und nachvollziehbar. Schwieriger wird es schon, wenn man versucht, die Entstehung der Namen für Orte, Flüssen, Landschaften zu deuten, die einen Bezug zu den Ureinwohnern haben.
Natürlich hatten auch die Ureinwohner die Besonderheiten des Landes, in dem sie lebten, mit Namen versehen. Seien es nun Flüsse, Täler, Gebirge, spezielle Wasserlöcher und die vielen heiligen Stätten, die man für die Zeremonien nutzte. Es wird vermutet, dass 1870, als James Cook in Botany Bay landete, mindestens 600 Tausend, wahrscheinlich sogar bis zu 3 Millionen Ureinwohner Australien bevölkerten. Es gab 300 verschiedene Sprachen, von denen heute nur noch rund 50 bestehen. Mit dem erbarmungslosen Versuch, die Ureinwohner auszurotten, verschwanden auch viele Sprachen aus dem täglichen Leben. Heute schätzt man, seit 1788 die Bevölkerungszahl des Aboriginals People um min-desten 23% zurückgegangen ist.
Mit dem Verschwinden ganzer Stämme verschwanden auch deren Begriffe, die sie für ihr Umfeld geprägt hatten und die niemand aufgezeichnet hatte. Einige Namen erhielten sich aber, weil weiße Siedler selbige aufschrieben.
Doch spielte die Berücksichtigung solcher Namen aber am Beginn der weißen Besiedlung sowieso keine offizielle Rolle. Die Siegermentalität, die oft in überheblicher Weise den indigenen Völkern als Opfer und Verlierer zumindest noch die Erhaltung einiger Namen zugestanden hatte, war für die britische Kolonialverwaltung kein Thema.
Den Linguisten offenbaren sich in Australien drei mögliche Gründe, warum doch eine große Anzahl Plätze die ur-sprünglichen Namen der Ureinwohner haben.
Erstens gilt es als gesichert, dass viele Landvermesser und Forscher die in der Gegend lebenden Ureinwohner nach deren Bezeichnung zum Beispiel für den Fluss oder die Schlucht oder die Ebene gefragt haben. Sie hörten die Na-men und benannten „ihre Entdeckungen“ entsprechend. Aber auf Grund der Verständigungsprobleme eben „Englisch Falsch“. Der Name des Ortes Tin Can Bay (Blechbüchsen Bucht) an der Cooloola Coast nahe Maryborough (Queensland) leitet sich von einer ehemaligen dortigen Aboriginal Siedlung ab, die Tinkun (engblättriges Strand-farngewächs) genannt wurde. Was für eine Wortdeutungs-verdrehung!
So gibt es eine Unzahl von Plätzen, die über setzt ins Englische „rest place“ oder „pretty place „ genannt wurden. Romantische europäische Interpretation für Plätze, deren Verkauf durch den Namen zweifelsohne so günstiger wurde. Allerdings wurde zu Beginn der weißen Besiedlung wurde den Ortsnamen der Aborigines von offizieller Seite keine Bedeutung geschenkt.
Hier ist die Ursache für den zweiten Grund der Berücksich-tigung bereits vorhandener Namen der Ureinwohner zu finden. Nach einem fast nicht mehr zu beherrschenden Namens Wirrwarr, da anfangs jeder alles irgendwie benannte, veröffentlichte 1829 der Generalbevollmächtigte der Landvermessung, Surveyor-General Thomas Mitchell, endlich Richtlinien zur einheitlichen Erfassung dieser Namen. Und obwohl die stattlichen Vermessungsämter der einzelnen Kolonien und später der Staaten eigentlich das sagen hatten, konnten doch andere Behörden wie Post und Bahn weiter-hin eigenmächtig Namen vergeben. Ein totales Durchein-ader!
Immerhin erreichte die Regierung über ihre Vermessungs-büros, dass viele offizielle Plätze, wie auch Vororte der großen Städte nach Gruppen der Ureinwohner oder nach deren Sprache benannt wurden.
1958 machte der „Place Names Act“ in Queensland mit der willkürlichen Benennung Schluss. Nun gibt es klare Richt-linien des Intergovernmental Committees on Surveying and Mapping (ICSM), die Australien verbindlich sind.
Der dritte Grund ist aus dem Gewohnheitsrecht entstanden.
Wenn eine Gegend, respektive eine Siedlung schon immer einen Namen durch die Ureinwohner bekommen hatten, wenn dies noch dort lebten, so konnte der Namen bleiben, wenn keine weitere von Weißen dicht besiedelte Ortschaft in der Nähe war. Die trifft besonders für den Bereich Central Australien bis zum Norden des Kontinents zu.
Da die Ureinwohner keine Schriftsprache hatten, wurden die gehörten Namen in das englische Laut- und Schriftsystem „eingepasst“. Die so entstandenen Ortsnamen sind leicht zu erkennen. Es sind Namen mit vielen offenen Sil-ben, vielen Vokalen und einem melodischen Klang. Beispiele wie Geelong, Woy Woy, Wagga Wagga, Wollongong, aber auch Uluru bestätigen dies.
Allerdings sind Ortsnamen, die sich auf ehemalige Anführer der Ureinwohner beziehen (z.B. Crows Nest) keine Überlieferung, sonder weiße Neubildungen. Nach dem Glauben der Ureinwohner ist es zum Beispiel streng verboten, Namen von Verstorbenen auszusprechen. Also gibt es keinen Personenkult durch Namensgebungen. Und auch für die Ver-wendung vom Namen mythologisch überlieferter Figuren scheint diese tabu zu gelten.
Unbestritten ist weiterhin, dass die Übernahme viele Namen der Ureinwohner für Gebirge, Flüsse, Städte und Ortschaften die Taktik der frühen Siedler der Landvermesser und Entdecker widerspiegeln. Die Verwendung der Namen des dort lebenden Volkes wird in Listen, die zur „englischen Schriftsprache“ erklären, was die Ureinwohner in ihrer Lautsprachen sagen wollen, festgehalten. Und diese Listen zeigen wie unangebracht in vielen Fällen die falsche Übersetzung ist.
Da die Ureinwohner als Jäger und Sammler lebten, hatten sie natürlich kaum Eigennamen für Siedlungen. Eher schon für die Plätze an denen sie gerade Station machten. Und man wird auch kaum eine Namensüberlieferung für Wege finden. Die Dream Path (Traumpfade) hatten meines Wis-sens keine besonderen Namen. Sieht man mal von dem Beweis für die Geomantie Fähigkeit der Ureinwohner ab.
Sehr treffend schildert Watkin Schleich, der 1788 mit der First Fleet in Australien ankam seine ersten Eindrücke von der Sprache des aboriginal People.
„Eigentlich schätzen wir am anfangs die Sprache als rauh und barbarische ein. So jedenfalls erschien uns die Art und Weise, wie sie die Wörter kombinierten.
Doch bei näherer Betrachtung haben nicht nur die Eigen-namen der Männer und der Plätze, auch ihre Satzteile und die Mehrheit ihrer Worte, die einfach und nicht zusammenhängend sind, nicht zuletzt durch die Fülle an Vokalen, einen manchmal einschmeichelnden, manchmal sonoren Klang.
Welches Gehör kann etwas gegen Namen Colbee, das exakt wie unser Colby ausgeprochen wird, haben? Oder gegen Männernamen wie Bereewan, Bondel, Imeerawanyee, Deedora, Wolarawaree oder Baneelon? Oder Frauennamen wie Wereeweea, Gooreedeeana, Milba oder Matilba.
Parramatta, Gweea, Cameera, Cadi und Memel sind Namen der Plätze, die sie bewohnen.
Cemeeragal zum Beispiel bezeichnet die Männer, die in der Bucht von Cameera leben. Die Cadigal wohnten in der Bucht von Cadi und so weiter….“
Unter den Namen der Männer, die Watkin Schleich aufzähl-te, befinden sich einige, die in der frühen Kolonialzeit eine bedeutende Rolle im Wechselspiel mit der Kolonialmacht spielten.
Vielleicht sagt der Name Baneelon vielen nichts. Er wurde auch unter dem Namen Bennelong bekannt. Ein Mann von dem Bass die Sprache der Eingeborenen im Sydneybereich lernte, der 1793 King George III: in London vorgestellt wurde. Dort, wo seine Hütte stand, am Bennelong Point, befindet sich heute das Opera House von Sydney.
In einer Zeitschrift habe ich eine Zusammenstellung einiger Orte in NSW gefunden. Man sieht, wie die Orte heute heißen und welche Bedeutung der Ort früher für die Ureinwohner hatte.

Orte Ureinwohnerdeutung
Buckett: Bergquelle
Budgewoi: Junges Gras
Bungary: geschliffener Stein
Dooralong: Holz für Speerherstellung
Dubbo: Rote Erde
Ettalong: Trinkplatz
Girrakool: Wasserplatz
Gorokan: Morgendämmerung
Gulgong: Wasserrinne
Jilliby: Treffpunkt zweier Bäche
Kanwal: Wirklich Schlangen
Kariong: Treffpunkt
Koolewong: Ort der Koalas
Kulnura: Dort oben in den Wolken
Munmorah: Steine für das Zermahlen von Samen
Narara: schwarze Schlange
Ourimbah: Heiliger Kreis für die Einweihung des Gür-tels der Manneskraft
Patonga: Austern
Terrigal: Platz der kleinen Vögel
Toowoon Bay: Der Paarungsruf des Wonga
Toukley: Viele Brombeeren
Tuggerah: Grassteppe
Tumbi umbi: reichlich Wasser
Umina: Gelassenheit
Watanobbi: Von Wasser umgebene Hügel
Woy Woy: essbare Knollen
Wyongah: Yam Flecken
Yarramalong: Zedern Area

Bei den Tasmaniern sieht die Beziehung Namen eines Ortes oder Platzes zu Bezeichnungen von den Ureinwohnern etwas anders aus. Es ist aus der Forschung bekannt, dass es auf Tasmanien 9 verschiedene Stämme gegeben hat. Im Rückschluss folgerten die Wissenschaftler, da die wesentli-che Gemeinsamkeit eine Horde ihre Sprache ist, dass es folglich neun verschieden Sprachen bei der Aboriginal People auf Tasmanien gegeben haben muss. Nachweisbar kann man aber nur fünf Sprachen belegen. Und der wissenschaft-liche Streit beschäftigt sich auch mit der Frage, der Sprachverwandtschaft zu den Ureinwohnern auf dem australischen Hauptland. Und noch während dieses Problem mit Für und Wider diskutiert wurde, kam ein völlig neuer Aspekt ins Gespräch. Danach soll es bei den Ureinwohnern in Tasmanien nur zwei Sprachen gegeben haben. Nämlich eine nordtasmanische und eine südtasmanische Variante. Diese beiden Sprachen ähnelten einander. Und so sollen sogar Ansätze zu den australischen Sprachen der Ureinwohner gehabt haben. Aber das alles ist ein schwierig zu lösendes Problem, Die Briten haben mit der Liquidierung der tasmanischen Ureinwohner deren Sprache und Gesänge quasi ausradiert. Das einzige was als wissenschaftliche Grundlage zur Verfügung steht sind angefertigte Wortlisten, die allerdings von Europäern erstellt wurden. und einige Gesänge. Bei J. Clarke (The Aboriginal People of Tasmania) findet sich eine sehr schöne Aufstellung. Allerdings muß der direkt Bezug zur Sprache der Ureinwohner Tasmaniens noch mehr in Zweifel gezogen werden, als das schon bei den Orts- und Platznamen in Australien der Fall ist.
Hier einige Beispiele mit dem Anfangsbuchstaben K bis M
Kaoota: Abenddämmerung
Koonya: Schwan
Lenah: eine Känguruart
Liapootah: kleiner Fluss
Lutana: Mond
Magra: Tag
Maydena: Schatten
Miena: Tümpel
Moona: Eukalyptus
Murdunna: Stern
Humanitär sowieso, aber auch wissenschaftlich haben die britischen Kolonialherren alles versucht, um ein Volk auszuradieren!
Ich glaube die Ureinwohner in Australien sind mit Recht stolz auf die Festestellung „Wir wurden aber niemals besiegt!“

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Weiter Ortschaftsnamen in Ureinwohnerdeutung

Post by ditido »

Weiter Ortschaftsnamen in Ureinwohnerdeutung
Ich weiß, dass sich Markus und Gienny sehr für die Bedeutung der Ortsnamen interessieren-. Deshalb habe ich noch einige Beispiele herausgesucht. In 14 der angeführten Orte bin ich gewesen. Allerdings stimmen Vergangenheit und Gegenwart meist nicht mehr.


Ort // Englisch // Deutsch

Bucketty// Mountain Spring// Bergquelle
Budgewoi // Young Grass// Junges Gras
Bungary// Grinding Stone// geschliffener Stein
Dooralong // Timber for making spears //Holz für Speerherstellung
Ettalong// Place for drinking // Trinkplatz
Girrakool// Place of waters// Wasserplatz
Gorokan// Dawn of early morning// Morgendämmerung
Jilliby// Where two creeks meet// Treffpunkt zweier Bäche
Kanwal// Snakes indeed// Wirklich Schlangen
Kariong// A meeting place// Treffpunkt
Koolewong// Koala bear here// Ort der Koalas
Kulnura// Up there in the clouds// Dort oben in den Wolken
Munmorah// Stones for grinding seeds// Steine für das Zermahlen von Samen
Narara// Black snake// schwarze Schlange
Ourimbah// Sacred circle of the initiation the „ourn“ or belt of manhood//
Heiliger Kreis für die Einweihungdes Gürteks der Manneskraft
Patonga// Oysters// Austern
Terrigal// Place of little birds// Platz der kleinen Vögel
Toowoon Bay// The mating call of the Wonga// Der Paarungsruf des Wonga
Toukley// many brables// Viele Brombeeren
Tuggerah// Savanah grassland// Grassteppe
Tumbi umbi// Plenty of water// reichlich Wasser
Umina// Repose// Gelassenheit
Watanobbi// Hills surrounded by Water// Von Wasser umgebene Hügel
Woy Woy// An edible yam// essbare Knollen
Wyongah// The yam patch// Yam Flecken
Yarramalong// Cedar trees here// Zedern Area

Viel Spaß beim Suchen im Atlas.
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