Das Aboriginal People und die Rassenpolitik

Versuch einer beschreibenden Analyse - Situation der Ureinwohner in Vergangenheit und Gegenwart / Hier wird nur gelesen, Diskussionen bitte im Forum "Land und Leute / Teil 1" oder im Thema "Geschichten der Ureinwohner Australiens".
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ditido
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Das Aboriginal People und die Rassenpolitik

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Aboriginal People und die Rassenpolitik
Teil1
Ende Mai 2007 gab es in Australien; oder sollte ich besser sagen in Canberra, Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Erteilung der bürgerrechte an die eigentlichen Ureinwohner.
Und eine nüchterne Bilanz. Der einzige sichtbare Erfolg ist, dass Ayers Rock wird seit 1995 wieder offiziell Uluru genannt wird. Am Status der unterprivilegierten Minderheit hat sich nichts geändert.
Mit der Besiedlung Australiens 1788 trafen zwei nicht verträgliche Kulturkreise aufeinander. Moderne Zeit und Steinzeit oder Urgesellschaft konnten nicht nebeneinander, und schon gar nicht miteinander, existieren. Die Besiedlung des Landes durch die Europäer schränkte das Nomadenleben der Ureinwohner radikal ein. Die überlieferten kulturellen Traditionen des Lebens in Einheit mit der Natur wurden durch die Einengung des Lebensraumes zerstört. Spirituelle Gesänge regelten die Stellung der Aborigines in diesem Land seit der Traumzeit. Es stimmte plötzlich nichts mehr. Folge war eine tiefe Verzweiflung und unlösbare Ausweg-losigkeit. Alkohol half scheinbar, die Probleme zu verges-sen. Dabei hatten die Aborigines Glück, dass sie überlebten. Denn in der Geschichte der Menschheit sind nicht nur ein-mal ganze Völker in der Konfrontation Fortschritt gegen archaische Lebensform ausgerottet worden.
Es scheint gesichert, dass die Wiege der Menschheit im Gebiet des heutigen Kenia liegt. Davon zeugen 1984 gefun-dene verstreute Menschenknochen in einem 1,6 Millionen Jahre alten Sediment. Nach Australien kamen die ersten Menschen (Australopithecus) vor etwa 100 Tausend Jahren. Robuste, gedrungene Typen, 170 cm groß. Sie kamen über Java und lebten auf dem roten Kontinent aber „nur“ 6 bis 7 Tausend Jahre. Dem folgte ein zweiter Einwanderungs-schub vor 40 bis 50 Tausend Jahren mit Booten oder Flößen über den Ozean aus China, den Phillipinen und Indonesien. Das gelang auch deshalb, weil während der Eiszeit der Wasserspiegel der Weltmeere 100 bis 200 Meter niedriger gewesen ist. Es gab also damals auch eine Landbrücke nach Australien. Die neuen Entdecker, ein graziler Australopitecinus mit einer Größe von 120 bis 150 Zentimeter, waren die Homo sapiens, die direkten Vorfahren der Aborigines. Die Ureinwohner lebten von Fisch, Austern, Muscheln, Früchte, Pflanzen und Tiere. Alles war reichlich vorhanden und reichte zum Leben. Als Nomaden zogen sie durchs Land, fühlten sich als ein Teil der Natur und pflegten ihre Traditionen, ihre Gesetze, die sie in Gesängen und Tänzen überlieferten. Und durch die Annahme der Traumzeit ver-tieften sie ihre Verbindung und Beziehung zur Umwelt. „Alles ist ein Teil vom Ganzen!“ lautete die oberste Le-bensmaxime. Die Berge achteten sie als Götter, in den Höh-len wohnten Geister. Emus waren Himmelsvögel, die beschlossen hatten auf der Erde zu leben und in den fliegen-den Füchsen sahen sie von den Göttern bestrafte ehemalige streitsüchtige Menschen.
Als die ersten weißen Siedler 1788 in der Nähe des heutigen Sydney landeten lebten in dieser Region etwa 8.000 Abori-gines. Nach 32 Jahren (1820) gab es dort nur noch 300! Vertrieben, getötet, durch Krankheiten dahin gerafft oder von selber gegangen. Die Ureinwohner kamen nicht klar mit dieser nun einsetzenden sozialen Umwälzung. Sie ver-standen diese weißen Männer nicht. Keine ihrer Geschichten aus der Traumzeit berichtete von solchen seltsamen Lebewesen. Zunächst dachten sie, dass es sich bei den Wei-ßen um die Geister von zurückgekehrten Toten handeln müsse. Und diese würden ja bald wieder gehen. Sie waren freundlich zu den Geistern, bewirteten sie mit Speis und Trank. Und diese Weißen?
Ein Siedler aus WA schrieb „Wir stehen im Krieg mit den Ureinwohnern. Wir haben sie niemals anders gesehen, nur als Feinde!“ So kam es zu einer schrecklichen Kriegsfüh-rung gegen die Aborigines. Die Siedler erklärten die Urein-wohner zu Geächteten, die man erschoss, aufhängte oder einsperrte. Viele der Gräueltaten wurden nie bekannt. Die Statistiken belegen, dass von den ursprünglich 300 Tausend Ureinwohnern bis 1888 nur 60 Tausend überlebten. In nur 100 Jahren wurden 50 Tausend umgebracht. Weitere 150 Tausend starben durch Krankheiten oder aber durch die veränderten Lebensumstände. Von den einst 300 differen-zierten Sprachen existieren noch etwa 50. Eigentlich sind die Ureinwohner ausgesprochen sprachbegabt. Noch heute beherrschen die meisten drei verschieden Sprachen. Und zum Teil auch noch die Zeichensprache, mit der sich Angehörige verschiedener Stämme früher verständigten. Dazu verwendeten sie unter anderem gekerbte Nachrichtenstäbchen, die jeder verstand. Sie hatten durch Tabus und Stam-mesgepflogenheiten bereits Geburtenregelungen, die den Bedürfnissen der Anpassung an das karge Leben entsprach. Zu einer Zeit, als das für die Europäer noch ein Fremdwort war. Lebt so ein primitives Volk?
In WA wetteiferten die „Expeditionen“, wie man die Aus-rottungskommandos nannte, untereinander. So verhöhnte zum Beispiel eine von Gouverneur Stirling geführte Mann-schaft eine andere Gruppe von Kopfjägern wegen deren Misserfolg bei der „Schlacht von Perth“. Man hatte die A-borigines, die gegen den Landraub protestierten, in die Sümpfe getrieben, selbige durch Militär umstellt, um am nächsten Morgen eine „muntere Treibjagd“ zu veranstalten. Doch als sich in der Frühe des nächsten Tages die Nebel lösten war keiner der Ureinwohner mehr da. Spurlos ver-schwunden! Anders, erfolgreicher gestaltete sich der Hin-terhalt bei der „Schlacht von Pinjarra“. 84 Kilometer südlich von Perth wurden über 150 Aborigines, Männer, Frauen und Kinder, durch Salven eines Maschinengewehrs getötet. Hinterher stilisierte man die Auseinandersetzung zur heldenhaften Schlacht, bei der „mutige Weiße“ die räuberischen Ureinwohner „zerstreuten“. Einige wenige freigelassene Gefangene sollten dem Stamm ausrichten, dass es immer wieder zu solchen Strafexpeditionen kommen würde, sollten sie weiter Schafe und Rinder töten. Der Gouverneur bezeichnete die Strafmaßnahme als Vergeltung für Diebstahl und verübte Morde. Keiner bemühte sich, die Lebensauffassung der Ureinwohner zu verstehen. Wenn sie hungrig waren nahmen sie einen Speer und erlegten früher ein Känguru oder einen Emu. Heute war es dann eben ein Schaf oder ein Rind. Die Weißen führten einen „Krieg der Vergeltung“, der aber nur Ausdruck des Hasses der Siedler auf die gesamte „Rasse“ der Ureinwohner war. Es gibt Hinweise, dass zum Zeitpunkt der Ersten Flotte nicht „bloß“ 300 Tausend, nein mehr als eine Million Ureinwohner in über 600 Stämmen auf dem Kontinent lebten.
Aber die Weißen hatten bessere Waffen, bessere Werkzeu-ge, bessere Gegenstände für den Alltag. Messer, Äxte, Speere, Hammer, Nägel. Das waren neue Dinge für die Ureinwohner. Diese Europäer achteten nicht mal ihre Feinde aus der eigenen Gemeinschaft. Bei den Aborigines gab es für schlimme Verfehlungen auch die Todesstrafe. Aber schnell und ohne Leiden. Und diese neuen „Herren“? Sie banden die Delinquenten an abgestorbene Bäume ohne Äste, peitschten sie mit langen biegsamen Ruten, die mehrere Schnüre hatten. Die so Verurteilten starben meist qualvoll an den Folgen der schlimmen Verletzungen. Und, wenn diese Weißen keine Achtung vor ihren eigenen Landsleuten hatten, warum sollten sie dann die Aborigines, die eigentlichen Besitzer des Landes, achten?
Schlimmes ist den Aborigines angetan worden. Sie sind zwar stolz auf Feststellungen wie „Wir wurden niemals besiegt!“ oder „Aber wir überlebten trotz alledem!“
Nur, was hat es ihnen gebracht?
Jedes Jahr am 26. Januar feiern die Australier als National-feiertag die Ankunft der „First Fleet“ unter Captain Arthur Phillip mit 757 Sträflingen in Port Jackson nahe dem heutigen Sydney, das nach dem für die Deportation verantwortlichen britischen Staatssekretär benannt ist. Auch für die Ureinwohner ist dieser Tag ein Gedenktag. Es ist der Tag der Invasion (Invasion Day).
Cook versuchte noch friedlich mit den Aborigines auszu-kommen. In seinen Augen ist die nicht lebensbedrohliche Verletzung durch Schrotschüsse in beide Oberschenkel eines Ureinwohners, der die Crew an der Landung hindern wollte, kein Akt der Böswilligkeit. Doch schon die ersten Siedler hatten wegen der grundsätzlich verschiedenen Le-bensgewohnheiten einen unüberwindlichen Konflikt zu den Aborigines. Erst schränkten die Siedler mit der Urbarmachung des Bodens den natürlichen Lebensraum der Ureinwohner ein. Und als diese dann, wegen des Hungers, Mais stahlen, begann schon 1794 am Hawkesbury River eine beispiellose Jagd auf die „Schwarzen“, auf die „Abos“, mit dem Ziel der Ausrottung. Dazu wurde auch Militär einge-setzt. Innerhalb kurzer Zeit werden im Van Diemen Land 8000 Aborigines getötet. Leben ließ man nur die als Arbeitssklaven brauchbaren Männer. Der Missbrauch an den Frauen und den Kindern war unbeschreiblich. Durch die 1849 von der britischen Regierung verabschiedeten „Terra nullius Doktrin“ wurden die Ureinwohner quasi zum Freiwild erklärt.

Wer Teil 1 gelesen hat, sollte mit Teil 2 fortfahren.
ditido
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Teil 2
Bis 1879 hatte man so auf Tasmanien alle Aborigines aus-gerottet. Nachdem 1804bei Risdon Soldaten des 102. Re-gimentes ohne Grund, wahrscheinlich aus Angst, friedliche Ureinwohner erschossen, die eine Herde Kängurus vor sich hertrieben, war eine Welle gegenseitiger unversöhnlicher Gewalt eröffnet. Die Operation „Black Line“, wo in Tasma-nien 5000 Soldaten im Abstand von drei Metern nebeneinander gingen, um die Ureinwohner zur Forestier Halbinsel abzudrängen, misslang. In zwei Monaten fing man einen Knaben und einen verwundeten Mann. Der Missionar George Robinson „überredete“ die Ureinwohner schließlich zur Umsiedlung auf die Flinderinsel. Nach 10 Jahren lebten dort noch 47, die man zurückkehren ließ in das Reservat Oyster Cove bei Hobart. Dort starb 1876 Truganini als letzte reinblütige Tasmanierin
Das Militär lud die Weißen zu regelrechten „Treibjagdveranstaltungen“ auf die Ureinwohner ein. So auch 1840 in der Nähe des späteren Perth, wo sogar der Gouverneur Stirling mit einer „Mannschaft“ von Siedlern bei einer „Sühneaktion“ eines vorherigen Überfalls den Schießbefehl auf eine Gruppe von 70 Aborigines gab.
Ein unrühmlicher Meilenstein in der Geschichte der briti-schen Rassenpolitik bleibt das Massaker von Myall Creek im Norden von NSW im Jahre 1838. In der Nähe einer Schäferhütte, deren Aufseher abwesend war, lagerte eine Gruppe Aborigines. Alte Männer, Frauen und Kinder. Sie wurden von einem Kommando Bewaffneter „festgenommen“. Ehemalige Verurteilte, zur Landarbeit abgestellte Strafgefangene, sogar der Spross einer Landbesitzerfamilie überredeten den verbliebenen Schäfer zu verschwinden. Die „Gefangenen“ wurden mit einem Seil gefesselt. Vier oder fünf sofort erschossen oder mit einem Säbel enthauptet. Die restlichen 28 Ureinwohner führte das „Rollkommando“ zum Flussufer. Dort verbrannten diese Unmenschen ihre „Gefangenen“ lebendig. Am nächsten Tag suchte man die 10 oder 12 Geflohenen im Busch. Reiter schwärmten aus. Niemals ist das Schicksal dieser Verfolgten geklärt worden. Keiner tauchte wieder auf. Als der Aufseher zurück kam und die verbrannten menschlichen Überreste sah, rief er sofort nach der Polizei. Zunächst versuchte der Polizeichef Major Nunn, der für seine blutigen Jagden auf die Aborigi-nes berüchtigt war, den Vorfall zu vertuschen. Aber sogar London war entsetzt über diese Untat und bedrängte den damaligen Gouverneur Gipps zur Strafverfolgung. Die abgestellten Sträflinge wurden arretiert. Andere Weiße versteckten sich auf den Besitzungen ihrer Familien. Trotzdem wurde allen der Prozess gemacht. Die Weißen versuchten erst gar nicht, ihre Handlung zu bestreiten. Aber das Argu-ment der angeblichen Bedrohung durch die Aborigines glaubte im Gerichtsgebäude von Sydney niemand. Die Jury befand alle Angeklagten schuldig des Mordes in wenigstens neun Fällen. Noch vor dem Urteilsspruch durch den Richter verzettelten die Anwälte den Prozess mit der Argumentation des Selbstschutzes, der fraglichen Opferidentität, des Fehlen von Zeugen über die wahren Abläufe. Mit der Folge, dass alle dann doch noch frei gesprochen wurden. War das ein Jubel bei der Sydneyer Presse und den Grundbesitzern in NSW. Dieses Urteil hätte die Ureinwohner endgültig zum schutzlosen Freiwild erklärt. Aber der Staat ordnete ein erneutes Gerichtsverfahren an. Diesmal nur gegen sieben der beteiligten Täter. Mit dem Vorwurf des Mordes an Frauen und Kindern. Hier passte die Rechtfertigung des Selbstschutzes wirklich nicht. Alle sieben Angeklagten wurde zum Tode verurteilt und, nach abgelehntem Gnaden-gesuch an das Oberste Gericht, gehängt. Von diesem Tag an war Selbstjustiz in Australien nicht mehr eine vor Gericht anerkannte Rechtfertigung für Tötung. Die Polizei, deren fragwürdige Haltung bei der Rechtsverfolgung allgemein bekannt war, wurde aber nicht angeklagt. Die Schaffung einer „Eingeborenen- Polizei“ mit dem Auftrag, jede Zu-sammenrottung der Aborigines zu verhindern, war damals quasi eine solche Lizenz zum Töten. So erklären sich die nicht bestraften Übergriffe 1840 in Victoria, wo sesshafte Aborigines aus ihren Hütten, die man anschließend abfa-ckelte, vertrieben, gejagt und getötet wurden. Etwa 30 Hüt-ten zerstörte das Feuer. Auch nicht geahndet wurden die Übergriffe 1857 in Maryborough, Queensland. Seit 1840 schwelte in dieser Region ein offener Konflikt zwischen Siedlern und Ureinwohnern. In dem Goldgräbergebiet wur-den viele Aborigines alkohol- oder opiumsüchtig. Es mehr-ten sich bei ihnen Infektions- und Geschlechtskrankheiten. Unter Missachtung bestehender Gesetze vertrieben die Weißen die sesshaften Aborigines von ihrem Land. Wie ein Hohn klingen da die Gedichte von Theodor Müller, dem deutschen Dichter Victorias, der von 1857 bis 1861 in der Goldfeldstadt Maryborough lebte. „Und Frieden, Frieden allerwärts!“
Als eine „Spritztour“ und eine „Prüfung“ bezeichnete Poli-zeikommandant Walker eine „kleine Jagdexpedition“ zwischen Weihnachten und dem 3. Januar 1852. Sie trieben angebliche „feindliche Schwarze“ ins Meer bis zur „Dun-kelheit oder dem Tod.“
Ein besonders brutale Art der der Assimilierung rücksichtslose Trennung von Ureinwohnerfamilien. Ein dunkles Blatt in der Geschichte der Rassenpolitik. Bis ca. 1970 trennten Regierung und Kirche Tausende von Kindern von ihren Eltern. Diese «gestohlene Generation» wurde bei Pflegefa-milien und in Missionsstationen untergebracht
1857 raubten Europäer zwei Mischlingsmädchen der Abori-gines. Sie behaupteten, dass es Überlebende des gesunkenen Schiffes „Seabelle“ wären, die sie nun befreit hätten. Die Mädchen sprachen kein Wort Englisch, hatten keine Ah-nung von der europäischen Kultur. Aber das interessierte nicht. Sie wurden nach Sydney gebracht und in eine Anstalt (?) gesperrt, wo sie nach kurzer Zeit starben. Die Erschütte-rung und Demoralisation der Sippe der Ureinwohner war maßlos. Es musste zu Konflikten kommen.
Aber jede Gegenwehr der Ureinwohner war der Anlass für weitere Invasionen. Im Fraser Island hatte man 35 Urein-wohner als Mörder und Verbrecher eingestuft und sie „beseitigt“. Als dann der Aborigines Stamm aus Rache elf Mitglieder der Fraser Familie tötete, war die Antwort des wei-ßen Mannes ein Massaker mit der Ermordung von 150 (vielleicht sogar über 300) Ureinwohnern am 1. November 1857. Selbst diese ungesetzliche Tat wurde strafrechtlich nicht verfolgt. Solche Beispiele waren für 40 Jahre der Frei-brief für weitere Strafexpeditionen von Polizei, paramilitärischen Einheiten und von Siedlern in Queensland.
Doch nicht nur gegen die Aborigines richtete sich der Hass der Weißen. Unter der Parole der Schaffung eines “weißen Australiens“ bot besonders die größte ethnische Gruppe, nämlich die Chinesen, ein beliebtes Aggressionsziel. Die geplante gesetzliche Gleichstellung der Chinesen fand die ungeteilte Ablehnung der Siedler, Miner und des Militärs. Wie passend gelangte da 1861 ins Goldfeld von Lambing Flat die Nachricht, dass 1500 Chinesen zur Goldsuche in Sydney gelandet seien. Spontane Protestaktionen und Rufe, wie „Roll up! Roll up! (Hereinspaziert!) No Chinese! Down with the Chinese!“ ertönten. Tausende Männer überfielen das chinesische Lager, schlugen oder vertrieben die Chine-sen, plünderten die Zelte und verbrannten sie dann. Die herbeigerufenen Truppen kamen zu spät. Es wurden zwar einige Männer verhaftet, doch die aufgebrachte Menge droht das Gefängnis zu stürmen. Also wurden alle, bis auf drei Rädelsführer, wieder frei gelassen. Angeklagt hat man schließlich nur einen. Die Reaktion der Regierung auf diese Revolte? Man erließ den „Chinese Immigration Restriction Act“ zur Beschränkung der Einwanderung von Chinesen. Außerdem war der Aufruhr die Begründung für die Schaf-fung einer „weißen australischen“ Polizei.
Die Rassentrennung wurde zementiert und fand auch 1901 bei der Gründung des australischen Staates in der Verfassung ihren Niederschlag. In den 128 Paragraphen erscheint der Name der Ureinwohner nur zwei Mal. In § 51,26 steht, dass für die Aborigines besondere Gesetze gemacht werden müssen. Und in § 127 wird festgelegt, die Aborigines bei Volkszählungen nicht mitzuzählen. Durch die Verfassung erhielten die Länder Gesetzeshoheit über die Ureinwohner, die seit 1902 auch vom Wahlrecht ausgeschlossen waren. Es dauerte bis 1967 um das Wahlrecht im eigentlich eige-nen Land zu erhalten. So waren bis 1911 dann auch die Unterbringung und Beaufsichtigung der Ureinwohner in Reservaten oder Missionen in den einzelnen Ländern geregelt. Trotzdem unterblieben die Jagden auf diese Menschen nicht. Als 1926 in den Kimberleys mehr als 30 Aborigines bei einer Polizeiaktion getötet werden, erhebt ein Missionar öffentlich Anklage. Doch die Polizisten werden frei gespro-chen. 1928 ermorden Weiße in der Gegend von Alice Springs über 100 Aborigines. Der Anführer Murray wird von der Anklage der vorsätzlichen Tötung frei gesprochen und von der Presse in Sydney sogar als Held gefeiert.
Das muss man wissen, wenn angetrunkene oder scheinbar ratlose Ureinwohner in den Städten herumlungern.
Wie sagten die australischen Parlamentarier am 26. Mai 1998? „We had no rights!” Wir hatten dazu nicht das Recht! Schöne Feststellung nach 210 Jahren. Aber leider 210 Jahre zu spät! Aber das australische Parlament hatte ja immerhin 1991 die RECONCILATION, die Wiedergutmachung be-schlossen.
Und dazwischen?
Das Wahlrecht erhielten 1949 einige „auserwählte Urein-wohner“ So die, die im Militär gedient hatten, oder auch die, denen auf Landesebene besondere Verdienste anerkannt wurden. Formal wurden die Ureinwohner erst ab 1960 aust-ralischen Staatsbürger. Und erhielten 1962 allgemeines Wahlrecht auf Bundesebene. Das blieb aber bis 1967 eine Farce. Erst mit Bildung des immer noch umstrittenen "Referates für Aboriginal Angelegenheiten" wurde zumindest das Wahlrecht legalisiert und richtet sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die 10fach höhere Säuglingssterblichkeit bei den Ureinwohnern. Und der innenpolitische Streit geht seit Jahren um den Verbleib der Milliarden Dollar, die der australische Staat zur Lösung der medizinischen Prob-leme zur Verfügung stellte.
1980 begann die etappenweise Aufhebung der Rassentren-nung in den Schulen. Wie gesagt in Etappen!
1978 ermöglichte die „Aboriginal Land Rights (Nothern Territory) Act erstmals den Ureinwohnern, Landansprüche auf die ehemaligen Stammesgebiete und zeremoniellen Plätze zu stellen. Die darauf einsetzende Polemik würde Bücher füllen.
Ein großer Erfolg für den Kampf um Gleichberechtigung der Ureinwohner war 1985 die Rückgabe von Ayers Rock (Uluru) an die ursprünglichen Besitzer. Und wer Interesse hat kann sich sicherlich beim Literaturstudium über die Vorgehensweise und die Motive beider Seiten, den Natio-nalpark dann sofort für 99 Jahre an die Weißen zu verpachten, wundern oder amüsieren.
1991 ist dann das große Jahr der gegenseitigen Anerkennung in der Innenpolitik der australischen Regierung. Die RECONCILLATION (We had no rights!) sollte ein Mark-stein in der Beziehung zu den Ureinwohnern sein.
Doch die Probleme, die bei der Rückgabe des Uluru schon offensichtlich wurden, verschärften sich 1993 als mit dem Mabo Gesetz „Terra nullius“ aufgehoben wurde. Innerhalb kurzer Zeit landeten bei der australischen Regierung Rück-gabeansprüche der Ureinwohner auf 40 % des Landes. Die derzeitigen Besitzer sollten zwar nicht vertrieben werden, aber die Ureinwohner wollten das Durchgangsrecht, das Recht auf Jagd in dem Gebiet und die Freiheit zur Durch-führung zeremonieller Treffen. Welch eine „Freude" unter den weißen Landbesitzern.
Die Regierung geriet in Handlungszwang. Und löste dieSa-che salomonisch. Zunächst wurde ab dem 26. Mai 1998 der „Sorry Tag“ eingeführt. Die ehrliche Meinung der Ureinwohner darüber verkneife ich mir. Denn da gab es 1998 ja noch das WIK Gesetz. Und das schränkte die Forderung auf Landrückgabe ein. Ausgenommen sind seitdem Gebiete, die vom Staat an Siedler oder Bergbaugesellschaften verpachtet sind (Uranproblem!!). Dafür gäbe es nach Prüfung eventuell eine finanzielle Entschädigung, die aus Steuereinnahmen nach Möglichkeit finanziert werden sollen.
Viele der Ansprüche laufen seitdem.

Weiter geht es im Teil 3
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Teil 3
Erst mit Bildung des immer noch umstrittenen "Referates für Aboriginal Angelegenheiten" wurde zumindest das Wahlrecht legalisiert und richtet sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die 10fach höhere Säuglingssterblichkeit bei den Ureinwohnern. Die Arbeitslosenquote liegt für die Ureinwohnern bei 38%. Und entgegen der Meinung vieler Australier sind nicht 2/3 sondern „nur“ 14 % der Gefängnisinsassen Aboriginals. Dazu kommt seit Jahren der innenpolitische Streit um den Verbleib der Milliarden Dollar, die der australische Staat zur Lösung der medizinischen Probleme zur Verfügung stellte.
Die Regierung hat 2004 die nationalen Selbstverwaltungs-gremien der Ureinwohner wegen Missmanagements aufgelöst. Diese Entscheidung war allerdings kein Meilenstein auf dem Schritt zur Aussöhnungsprozess nicht förderlich sein.
Die weißen Australier taten sich schwer mit der Erteilung voller Bürgerrechte für die Ureinwohner.
Und sollte dieser 26. Mai 1998 ein Neubeginn im Dialog werden. Seitdem gibt es gibt es den Sorry- Day. Und dieses „We had no rights“ (Wir hatten dazu keine Rechte) wird besonders an diesem Tag, wohl mehr für die Weltöffentlichkeit, verkündet. Die Parlamentarier stellten nunmehr fest, dass man den Aborigines unrechtmäßig ihr Land genommen hatte, dass man nicht das Recht hatte, ihre Lebensgewohnheiten zu ändern, dass es kriminell war, sie wie Kaninchen zu jagen und zu töten. Den Völkerrechtsbruch der Vertreibung haben auch Gerichte bestätigt, als man den Aborigines bestimmte Teile des australischen Kontinents wieder zusprach.
Trotzdem war es erstaunlich und erfreulich, dass im Januar 2007 die Ureinwohner ihre Rechte auf die Regenwälder (60 Tausend Km²) an der australischen Ostküste zurück erhielten. Jetzt dürfen sie dort Fischen, Jagen und die National Parks verwalten. Die Ureinwohner sehen hier eine Chance ihr finanzielles, gesundheitliches und Bildungsdefizit zu verbessern. Mit dem „Native Title Service“ scheint eine starke Institution diese Ziel zu verfolgen. Warten wir ab. Auch auf die Reaktion der bisherigen alleinigen weißen Nutzer. Da neben Byron Bay weitere beliebte und lukrative Städte und Touristenstrände betroffen sind.
Denn die allgemeine Stimmung bei den Weißen ist nicht so, wie wir es oft in positiven Berichten lesen. 1999 lehnte das Parlament ab, in die Präambel der Verfassung aufzunehmen, dass das Aboriginal People das erste Volk in Australien war. Das ist eben die Diskrepanz. Auch wenn 1967 fast 91% der weißen Bevölkerung für die australische Staats-bürgerschaft des Aboriginal People war, ist man doch auch aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine derartige verfas-sungsmäßige Zementierung.
Dem folgten zwar ab 2000 mehrere Protestmärsche. Und auch die Wortmeldungen prominenter weißer Australier, Aber wer das Ohr an der Masse hat, weiß dass die Zustim-mung zur vorbehaltlosen Gleichberechtigung noch ein weiter Weg sein wird.
Die Ureinwohner wiederum haben von den ehemaligen „weißen Herren“ gelernt. Sie wissen, dass sie nicht in der Lage wären (und auch nicht wollen) durch landwirtschaftli-che Produktion bei Landrückgabe, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, weil dann ja die bisher gewährte Sozialbeihilfe wegfallen würde. Also wollen sie nach der „pro forma Rückgabe“ lediglich am Gewinn der weißen Nutzer, also der Siedler und der Bergbaubetreiber partizipieren.
Trotzdem hat Premier Howard in seiner, von häufigen Äußerungen des Missfallens durch Vertreter der Ureinwohner unterbrochenen Rede erneut eine Ausgabenerhöhung der Hilfsprogramme 3,5 Milliarden AUD in Aussicht gestellt. Das Ziel sei die Verbesserung der Lebensqualität der Ur-einwohner, deren Lebenserwartung 20 Jahre unter der der anderen Australier liegt. Die Senkung der Diabeteshäufigkeit, der Herz- Kreislauferkrankungen und die Einschränkungen des Alkohol- und Drogenmissbrauches.
Und es sei die Absicht der Regierung, den Aboriginal People zu helfen, sich aus der Isolation zu befreien und sich zu integrieren.
Zum Eklat kam es, als Howard die abermalige Forderungen der Vertreter der Ureinwohner, Sonderanteile am australischen Grund und Boden zu bekommen, um am Gewinn aus Landwirtschaft und Bergbau teilzuhaben. Schließlich habe das Land einst ihnen gehört, energisch zurück wies.
Auch hier kam es zu lebhaften Gegenrufen, die sogar nicht scheuten, PM Howard des Völkermordes an den Ureinwohnern zu bezichtigen.
Heute leben unter 20 Millionen Australier etwa 380 Tausend Aborigines. Der Tiefstand von einer Zahl um 200 Tau-send Ureinwohner scheint überwunden. Wie aber leben sie? Die Regierung gibt immer mal Erklärungen zur Situation der Aborigines oder erlässt Maßnahmen oder würdigt Einzelbeispiele: Aborigines als Senator, als Ärzte, als Anwälte, als Sänger oder Künstler, als Siedler auf eigenem Grund und Boden, als Wimbledon- und Olympiasiegerin. Nur grundlegend geändert hat sich nichts. Die beiden Lebensformen passen nicht. Mark Twain warf der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika vor, die Indianer regel-recht massakriert zu haben. „Wozu Waffen benutzen, wenn man mit Wasser und Seife genau so weit kommt“ spottete der Satiriker mit Zynismus und Sarkasmus.
Als die Waffen bei den Aborigines zur Ausrottung des Volkes nicht reichten, versuchten die Australier eine „Befrie-dung“ über Missionare. Und wenn das nicht klappte, blieb ja noch der Alkohol. Die verheerenden Folgen sieht man heute in den Städten. Angetrunkene, schreiende Frauen, „abgetretene“ Männer, die torkelnd zum Polizeiwagen ge-führt werden. Wenn in Oz auf der Strasse Männer schreien? Das sind immer nur Weiße. Männliche Ureinwohner tun das nämlich nicht. Jedenfalls nicht im Alkoholrausch, wie die Ausnahme von Sydney beweist. Nachdem ein schwarzer Junge wahrscheinlich von Polizisten zu Tode gehetzt wurde, entwickelte sich vor dem Bahnhofsgebäude in Redfern/Sydney ab 17. Februar 2004 eine regelrechte Straßenschlacht zwischen Aborigines, anderen Slumbewohnern und der Polizei. Das Ausmaß der Aggression war sicher auch Alkohol bedingt. Doch der Tod des Jungen blieb unverges-sen.
Die Unruhen in Redfern, die ich persönlich miterlebte, halte ich für politisch falsch bewertet. Der Anlass mit dem Tod eines jungen Aboriginals war tragisch, hätte aber bei einem weißen Jungen auch passieren können. Wir haben zu dieser Zeit in Redfern gewohnt. Das Viertel in dem die Unruhen ausbrachen ist eine Art Slum oder Getto, in dem Ureinwohner, Arbeitsscheue, Stadtstreicher, Randalierer und ewig Unzufriedene, wirtschaftlich und gesellschaftliche Gescheiterte wohnen. Als wir zwei Tage vor den Krawallen da durch gingen, schlug uns eine Woge von Hass und Misstrauen entgegen. So schnell wie möglich beendeten wir die „Besichtigung“.
Aber die Unruhen hatten auch etwas Gutes. Es gibt jetzt einen Jahrestag des Freiheitskampfes des Volkes der Ureinwohner, dem sich auch Weiße anschließen. Ein Jahr später, am 13. und 14. Februar, gab es in Sydney und in ande-ren Städten, wie Melbourne und Canberra, Proteste gegen die Polizeiwillkür. Allerdings wucherten 2005 die Ausschreitungen nicht wieder in Straßenschlachten aus. Ein Protestzeltlager auf der Wiese gegenüber dem Alten Parlamentsgebäude in Canberra sollte Ausdruck des Protestes des „anderen Australien“ gegen Rassenpolitik, Kriegsteil-nahme und vieles Andere mehr sein. Eine friedliche Unzufriedenheit. Kein Polizist hätte gewagt, dagegen etwas zu unternehmen. Und nur so funktioniert eine Demokratie.

Aber diese Inforamtionen reichen noch nicht. Lest wieter im Teil 4
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Teil 4
Eigentlich übersehen fast 90% der australischen Einwohner alle die Aborigines betreffenden Themen. In den Städten schauen sie einfach weg, wenn eine Gruppe der Ureinwohner irgendwo herumgammelt. Sie gehen vorbei, wenn die Polizei die Leute in Käfigwagen „einsammelt“. Sie wechseln die Straßenseite, um angetrunkenen Aborigines aus dem Weg zu gehen. Diese sind zwar oft laut oder versperren den Weg. Ich habe aber niemals Aggressionen gegenüber Vorbeigehenden gesehen. Es gibt eine Reihe profilierter Bürger, die sich für die Ureinwohner einsetzen. Aber die wollen in Verkennung der Realität nur die guten Beispiele sehen und nicht die eigentliche Ursache. Unter vier Augen sind viele Australier der Meinung, dass die Aborigines kei-ne Sozialhilfe mehr bekommen sollten, sondern endlich arbeiten müssten. Und hier ist das eigentliche Problem!
Die Masse der älteren Aborigines lebt in einer eigenen Welt, in der Arbeitsdisziplin, Termintreue oder Pflicht zur Arbeit fehlen. Obwohl die Selbstlosigkeit bei der Erfüllung sozialer und religiöser Pflichten, die sich aus der komplexen Sozialstruktur und den Vorschriften seit der Traumzeit er-geben, ein wichtiger Bestandteil ihres Glaubensgefüges ist. Da ist das Leben in der Natur, da ist der Wunsch stundenlang verinnerlicht irgendwo zu sitzen, und da ist auch mittlerweile die Abhängigkeit vom Alkohol. Weil es in den von Aborigines verwalteten Gebieten keinen Alkohol gibt, kom-men viele Ureinwohner immer wieder in die Städte.
Es gehörte zu unseren unangenehmsten Eindrücken bei dieser Australienreise. Betrunkene, laut schreiende und keifende Aboriginesfrauen in den Städten. Nur die Enttäuschung über Swiss Am Drive Sydney war vielleicht noch schlimmer.
Sogar viele Aboriginesführer sind nun mittlerweile der Meinung, dass Sozialhilfe wohl doch nicht der richtige Weg zur Eingliederung in die Gesellschaft Australiens ist. Sozialhilfe fördert nur eine phlegmatische, untätige Lebensweise. Das Geheimnis für die Lösung heißt Bildung.
Mit Recht sind junge Aborigines stolz, wenn sie es trotz negativer Beeinflussung von Weiß und Schwarz geschafft haben. Einen Schulabschluss, einen Ausbildungsabschluss, einen Hochschulabschluss. Aber zu wenige, viel zu wenige! TAFE (Technique and further Equipment) ist ein Geheimwort für Bildungswillige. So ähnlich wie die Arbeiter- und Bauern- Fakultäten damals in der DDR wird hier den Bildungswilligen ein zweiter Bildungsgang mit Abschluss angeboten.
In den Nationalparks liest man fast überall die von den Abo-rigines aufgestellten Tafeln:
„Wir Ureinwohner profitieren vom überlieferten Wissen eines Volkes, das seit 30 Tausend Jahren hier lebt. Wir wissen, wann der rechte Zeitpunkt für die Pflanzen ist, wir kennen den richtigen Weg zum Abbrennen und Neuaufforsten.
Und wir werden unser Wissen, wenn nötig auch den Weißen mitteilen!“
Solche Sprüche sind für mich Schwachsinn. Sie erinnern an einen, der ständig sagt „Ich weiß es, aber ich verrate es nicht!“ Die gepriesenen Kenntnisse haben mittlerweile viele Ranger und Wissenschaftler auch.
Dabei könnten wir so viel von den Aborigines lernen. Die Begeisterung vieler Europäer für das Outback ist doch häu-fig nur Ausdruck, dass wir keine echte Beziehung mehr zur Natur haben. Ein gestörtes Verhältnis. Wir könnten zumin-dest den Versuch, wieder einen Einklang herzustellen, von den Ureinwohnern übernehmen. Sippenordnung, Achtung und Anerkennung der Gesetze wären auch mal für unsere Richter und Anwälte eine überwältigende Weiterbildung. Von den Vätern weitergegeben ist das Leben der Aborigines im Gleichgewicht mit einer Natur, die sie respektieren, de-ren Regeln sie akzeptieren und die sie niemals beherrschen wollen. Für uns die sichtbare Repräsentation einer unge-zähmten und natürlichen Daseinsform. Wäre doch nicht schlecht? Oder?
Leider wollen die meisten Aborigines aber nichts mit uns zu tun haben. Dass sie den Touristen aus dem Weg gehen kann ich noch verstehen. Dass sie sich aber in der Gesellschaft Australiens, deren Teil sie sein sollten, isolieren, verstärkt nur die Kluft. So manifestieren sich diese schier unfassba-ren Schwierigkeiten und die Gefahren für ihr Volk.
Trotzdem glaube ich, dass in drei Generationen die Fragen nicht mehr so stehen werden. Da wächst auch bei den Abo-rigines eine Jugend heran, die der allgewaltigen Medienbeeinflussung, genau wie ihre jungen weißen Mitbürger, aus-gesetzt ist und die darauf reagiert. Sie werden überleben. Aber anders Weiterleben.
Doch es formiert sich noch eine weitere Strömung des Widerstandes gegen die weiße Unterdrückung oder Diskrimi-nierung
Dieser regelmäßig am 26. Januar begangene Feiertag, der Australia Day, wurde bis vor wenigen Jahren nicht an diesem Tag, sondern an dem, diesem Datum am nächsten gele-genen. Montag gefeiert, der somit ein freier Tag (verlängertes Wochenende!) war. Ein Tag, der an die Landung der First Fleet am 26. Januar 1788 erinnern soll. Bei den Ureinwohnern heißt dieser Tag Invasion Day.
Für viele Australier sind die Feierlichkeiten zu sehr auf Sydney konzentriert. So genießen sie den freien Tag, ohne große patriotische Aktionen zu demonstrieren. Seit der 200 Jahrfeier 1988 hat sich das ein wenig geändert.
Der Tag wird in den einzelnen Bundesstaaten verschieden begangen. Auf alle Fälle nicht mit dem Pomp der Sydneysi-der. Immerhin kommen nicht die patriotischen Gefühle auf, wie am ANZAC Tag, der die Nation mehr vereint als der Australien Day, für den es, seitdem der damalige Gouver-neur Lachlan Macquarie 1818 den 26. Januar zu einem Feiertag ernannte, immerhin schon fünf verschiedene Bezeichnungen gab.
In SA gibt es in Adelaide die bekannte „Australia Day Pa-rade“. Und ansonsten kleine regionale Veranstaltungen. Im Northern Territory steht in Darwin der Australia Day Fun Run/ Walk und ein „Big Aussie Breakfast“ im Mittelpunkt.
Und das traditionelle Barbecue in Alice Springs.
Tasmanien beschränkt sich auf ein Radrennen und einigen Matineen.
Auch Victoria konzentriert die Feierlichkeiten auf die Hauptstadt. Das Australia Day Voyages Concert und die Eröffnung der Australian Open im Tennis sind neben dem abendlichen Feuerwerk die Höhepunkte.
Auch Western Australia beendet den Tag mit einem giganti-schen Feuerwerk in Perth. Bis dahin genießet jeder eben den freien Tag in den Parks oder am Ufer des Swan River.
Aber in allen Staaten ist der Australia Day Anlass, neuen australischen Staatsbürgern feierlich in einem Einbürgerungsakt die Urkunde zu überreichen.
Die mit Abstand aufwendigste Feierlichkeit läuft in Sydney ab. Unter dem Hinweis, dass die Entwicklung Australiens in Sydney begann, sind irgendwelche Feierlichkeiten für die Vielzahl der Australier außerhalb von NSW eigentlich nicht von großem Interesse.
Geht es nach den Willen der Politiker sollte der Australia Day alle Menschen des Kontinents, unabhängig von Her-kunft und Hautfarbe, vereinen. Gemeinsam feiert man den Zusammenhalt der Nation seit der Besiedlung des Landes. Gemeinsam? Und da beginnt das Problem.
Nicht alle Ureinwohner sind damit einverstanden, dass die Feierlichkeiten in Sydney jährlich mit "Woggan ma gule", einer Aborigines Zeremonie, beginnen. Hier wird im Tanz eine Geschichte aus der Vergangenheit erzählt. Eine Zeremonie, die die Ahnen verehrt und das Land reinigen soll. Was immer man darunter verstehen möchte.
Eigentlich nannten die Ureinwohner diesen Feiertag schon immer den „Invasions- Day“. Und als 1988 die Aborigines erstmals mit den Namen „Tag der Invasion und der Schan-de“ oder aber „Tag des Überlebens“ und „Trauertag“ an die Öffentlichkeit traten, wurden sie gleich zu „militanten Abo-rigines People“ abgestempelt.
Und hier ist dann wohl auch die richtige Stelle anzuführen, dass die von den Weißen eingeführte Bezeichnung Aborigine für die Ureinwohner als Beleidigung gilt. Dabei war der Name, der sich vom Lateinischen „ab origine“ (Ureinwohner) ableitet und an jenes sagenhafte Stammvolk der Latiner erinnert, nicht als abwertend oder beleidigend gedacht.
„Abo“ wird von den Ureinwohnern sogar offiziell als hochgradig unkorrekte Bezeichnung betrachtet. Des Weiteren gibt es deren Forderung, dass Begriffe wie Aboriginie nicht mehr verwendet werden sollen. Man hat sich auf die Bezeichnung „Indigenous People“ (einheimisches Volk) geeinigt. Wenn man den Begriff „Aboriginal“ noch verwenden will, muß man aufpassen. Als Adjektiv ist „Aboriginal“ großgeschrieben, politisch korrekt. Also bezeichnet „Aboriginal People“ die Ureinwohner Australiens, zum Unter-schied zu „aboriginal people(s)“ in anderen Ländern. Die Verwendung als Substantiv oder mit kleinem „a“ stellt für die Ureinwohner eine Beleidigung dar.
Hier erinnert mich die Diskussion sehr an die Einwohner Afrikas, wo der Begriff „Schwarzer“ für die Afrikaner gerade noch legitim, die Bezeichnung „Neger“ aber eine schwere Beleidigung bedeutet.
Es ist also sicher besser, wenn man in Deutsch von „Ureinwohnern“ oder besser noch von „australischen Ureinwohnern“ spricht. Auch die Verwendung der Bezeichnung „indigene Australier“ ist korrekt, aber wohl gewöhnungsbedürftig. Das lateinische Wort „indigena“ bedeutet einhei-misch.
Auch einige große Australientouristikunternehmen verwenden im englischen Sprachgebrauch nur noch die Begriffe „Aboriginal People“ oder „australische Ureinwohner“.
Die australischen Ureinwohner selbst versuchen durch die vermehrte Betonung der Selbstbezeichnungen, die auch überregional sein können, den Begriff „Aboriginal“ gänzlich zu umgehen.
Vereinfacht kann man sich für die Küstenregionen merken:
Osten Murri
Süden Nanga
Südwesten Nyungar
Westen Wonghi
Wichtig scheint mir für die vielen Uluru Besucher, dass man dort mit dem Namen Anangu, was so viel wie Menschen bedeutet, immer richtig liegt.
Es wird wohl nicht mehr lange dauern und die australischen Ureinwohner werden den Australia Day vermehrt für die Demonstration ihrer politischen Ziele nutzen. Ansätze sind schon vorhanden. Ich kann nur hoffen, dass sich nicht, wie in Amerika die „Black Panters“, auch in Down under eine militante Organisation beim Indigenous People bildet, die wie die Autonomen bei uns, den ständigen aggressiven Konflikt suchen.
Je mehr die Ureinwohner ihr Recht auf Bildung einklagen und wahrnehmen, umso eher werden sie mit demokratischen Mitteln sich der Gleichberechtigung nähern.
Wir müssen also auf eine Änderung durch Anpassung an diese globale Verbraucher- und Fungesellschaft hoffen, die eigentlich nie das Ziel meiner Generation war.
Heute leben in Australien wieder 386.049 Aborigines (letzte Schätzung). Von denen sollen 2/3 in Städten ansässig sein.

Auch mit diesem Bericht habe ich versucht, die derzeitige Situation aus meiner Sicht darzustellen.
Ich bin mir bewußt, dass meine Meinung von einem Großteil der Australier nicht geteilt wird. Wohl aber von vielen australischen Bürgern, die zur kulturellen und politischen Elite desLandes gehören. Ich glaube persönlich, dass nur mit dem Verstehen der Situation des Aboriginal People dem Volk geholfen werden kann, in Eintracht in ihrem Land weiter leben zu können.
ditido
http://www.ditido.de
Time cures all things

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