Die „Geburtshelfer von Echuca – Moama
Australien profitierte (oder nicht?) vom Wegfall der amerikanischen Kolonien. Das drakonische britische Strafsys-tem sah auch für kleinste Vergehen, wie Wilderei oder Diebstahl, Gefängnisstrafen zwischen 7 und 14 Jahren vor. Nur wohin mit den Bestraften, wenn die Zuchthäuser voll sind? Außerdem wollte man die vielen politischen Häft-linge aus Irland und Schottland gern loswerden. Welch einmalige Gelegenheit, die alle nach Australien abzuschie-ben. Mit den 11 Schiffen der First Fleet kamen 1500 Menschen, darunter 193 Frauen und 582 Männer als Verurteil-te, in das neue Land. Auch 247 Passagiere (56 Ehepaare, davon 24 mit Kindern) wagten den Schritt in die neue Welt. Überwiegend Iren, aber auch Schotten, Nordamerikaner, Juden und Schwarzafrikaner. Nur 47 Passagiere starben während der Überfahrt.
Der Sträflingszustrom hielt ungebrochen bis 1840 in NSW und bis 1855 auf den Norfolk Inseln an. Insgesamt 164.000 Menschen wurden auf diese Weise nach Australien zwangsdeportiert.
Doch ab 1868 stellte die britische Regierung die Gefangenentransporte nach Australien ein. Die Deportation dort-hin war schon keine Strafe mehr, sondern eine kostenlose Überfahrt ins Goldland
Von den vielen Orten, die ihre Existenz der Gründung von Sträflingslagern verdanken, seien Sydney, Brisbane und Albany genannt stellvertretend erwähnt.
Und von den vielen Orten, deren Entstehung auf ehemalige Sträflinge zurückgeht stehen Echuca und Moama als ein bezeichnendes Beispiel
Zwei entlassene Sträflinge sind die Gründer der beiden Städt. James Maiden steht für Moama und Henry Hopwood für Echuca. Wie der Zufall so spielt wurden beide am gleich tag und vom gleichen Gericht in Lancashire 1834 zur Deportation verurteilt.
James Maiden hatte in einem nächtlichen Einruch zwei silberne Tafel Zuckerzangen im Wert von neun Schilling und möglicherweise auch ein paar Kerzen gestohlen. Ursprünglich zum Tode verurteilt wandelte man das Urteil dann in eine siebenjährige Deportation nach Australien um. Am 30. Januar 1835 kam er in Sydney an, saß seien Gefängnisstrafe ab und wurde 1839 wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Er blieb in Australien, heiratete 1840 eine Jane Davos, mit der er sieben Kinder hatte, von denen sechs überlebten Mit seiner Frau ging er in die Gegend von Seymour, nördlich von Melbourne. Und nach kurzer Arbeitszeit auf einer Station am Edwards River wurde er Betriebsleiter bei der Station Long Swamp Run, die später als Perricoota Run bekannt wurde.
Es war sein Wunsch und sein Bestreben die kleine Siedlung zu vergrößern und den Viehhandel hier zu intensivie-ren. Und deshalb beschäftigte er sich mit den Möglichkeiten, wie das Vieh hier den Fluss überqueren könnte. Mit seinem ersten Stechkahn, den er in Seymour bauen ließ, fuhr auf dem Goulburn River bis zur Einmündung in den Murray River und weiter bis zur Perricoota Station. Eine Großtat in den 1840ern. Und auch rechtzeitig Denn ab 1843 boomte der Wollehandel in Sydney. In Ochsengespannen wurden bis dahin die Wolleballen von Moama bis nach Sydney transportiert. Doch ab 1844 änderte sich der zeitaufwendige Transport. Mit den Stechkähnen von James Maiden gelangte die Wolle über den Murray River nach Melbourne und von dort über das Meer nach Syd-ney. 1845 ließ Maiden einen noch heute als „Maidens Punt“ bekannten Kahn herstellen, der die vollständige Trans-port Crew eines voll beladenen und von 6 bis 8 Bullen gezogenen Wolltransportes aufnehmen konnte. Allein diese Maßnahmen machten ihn reich.
1846 erhielt er die Genehmigung zur Eröffnung eines Road Houses „The Maidens Inn“, das er auf einer Landerhö-hung nahe der Kahnstelle und Furtstelle errichtete. Auch große Ställe wurden mitgebaut. Denn das Hauptinteresse von Maiden galt weiterhin dem Viehhandel, da das Goldgebiet von Bendigo dringend Fleisch brauchte.
Es gab in Bendigo MAY sogar eine Stelle, die Maidens Gully hieß. Dort wurde das Viel geschlachtet.
Und 1851 ging sein größrer Traum in Erfüllung, Die Ortschaft Moama wurde offiziell genehmigt.
1855 kaufte der mittlerweile Millionär gewordene Maiden die Station Perricoota Run. Zusätzlich gehörten ihm auch die Liegenschaften Heathcote und Torrumbarry. Aber ihm standen harte Zeiten bevor. Die Viehpreise sanken und Maiden rutschte in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten. Daran war auch die intensive Rivalität mit Henry Hopwood, von der anderen Flussseite Schuld. Der Konkurrenzkampf zwischen den beiden Stechkahnunternehmen führte letztlich zu beiderseitigen großen Verlusten. 1856 mußte Maiden seine Besitztümer in Moama verkaufen, um zahlungsfähig zu bleiben. 1867 kamen dann die Verkäufe von Perricoota Run und von Tatalia Run. 1867 war er soweit wirtschaftlich ruiniert, dass er schon Gelegenheitsjobs für andere Leute machte. Schließlich verließ er Mo-ama ging nach Bendigo ins Goldfeld, wo sich seien Spur verliert. Sein Todestag ist unbekannt. Und wie so viele der Glückritter wird er wohl in einem Armengrab dort seine letzte Ruhe gefunden haben. Ein Leben auf wie auf einer Berg und Tal Bahn. Leider mit dem tiefsten Tal am Ende.
An den Gründer von Moama erinnert heute noch der Maidens Inn Holiday Park, in dem wir auch wohnten. Das ist der Platz, wo einst Maidens Inn, ein großes zweistöckiges Gebäude mit 22 Räumen stand. Nach dem Verkauf nann-te es der neue Besitze „Royal Hotel“. 1979, nach Entzug der Lizenz, wurde es ein privater Wohnsitz. Feuer zerstör-te 1979 das Gebäude. Nur noch die beeindruckenden Säulen am Eingang sind ein Rest der Vergangenheit, vom berühmten „Maidens Inn“.
Der „Vater“ der Zwillings Stadt von Moama hieß Henry Hopwood. Er wurde 1813 in Bolton, Lancashire geboren. Sein Vater war ein angesehener Musselin- oder Nesseltuchmeister. Zumindest zeugt davon eine silberne Schale, die er von den dankbaren Webern aus Bolton erhielt.
Aus der Jugend des Henry junior ist wenig bekannt. Er soll trotz guter Ausbildung mit einer Gruppe von Hehlern Geschäfte gemacht haben. Mit 19 Jahren, 1832, heiratete er. Und zwei Jahre später wurde dem jungen Paar ein Knabe geboren. Zu dieser zeit war Henry bereits arretiert. Wegen Handel mit gestohlener Seide. Die Strafe lautet 14 Jahre Deportation. Das war an diesem bewussten tag, als auch James Maiden in Lancashire zur Deportation begnadigt wurde. Nach Hopwoods Gefängnisaugzeichnungen, die noch vorhanden sind, soll das vor dem Schwur-gericht in Lancashire erfolgt sein. Eine zu bezweifelnde Angabe, weil sich das Schwurgericht damals nur mit Ge-waltverbrechen, wie Mord, beschäftigte.
Hopwood kam im November 1834 in Van Diemen’ Land an. Und es startete in Port Arthur eine ungewöhnliche Häftlingskarriere. Er brauchte nur ein Jahr, um die Gefängnisverwaltung von seinem Willen zur Besserung und seiner Zuverlässigkeit zu überzeugen, dann wurde er schon zum Polizeiwachmeister ernannt. Und er war verant-wortlich für die Bewachung anderer Häftlinge. 1843 wurde er auf die liste der Freigänger gesetzt, die auch inner-halb des Strafvollzuges Privilegien hatten. Und 1846 wurde er letztendlich begnadigt. Obwohl er Frau und Kind in England hatte sah die britische Rechtsprechung damals schon eine siebenjährige Trennung als eine Scheidung. So konnte Hopwood in Australien noch zwei Mal heiraten.
Zunächst managte er die Siederei und Einkochabteilung, wo aus dem Kadaver der alten Rinder Talg hergestellt wurde, auf Tatalia Station. Aber das war nur eine vorübergehende Beschäftigung, die auch keine große Zukunft hatte. Damals wurde er zum ernsthaften Konkurrenten von James Maiden, da Hopwood sich für die andere Seite des Flusses die Lizenz für Gasthof und Kahnstation verschaffte. So partizipierte er am Fleischhandel ins Goldfeld.
Seinen Gasthof nannte er „New Road“. Um anzudeuten, dass hier der beste Flussübergang auf dem Stock Route (The Long Paddock) zwischen Deniliquin und Bendigo bestünde.
Nachdem Maiden kein Rivale mehr war dehnte er seine Besitzung auch auf der anderen Seite des Flusses aus. Ein Gasthof, ebenfalls „The New Road Inn“ genannt, Schuppen aus Steinen und Baumrinde, sowie Ställe entstanden. Er wurde bei den Handelsleuten bekannt und sein Geschäft florierte. Als 1854 der Regierungslandvermesser Phillip Chauncy die mittlerweile die kleine Siedlung am Murray River aufsuchte fand er eine Gruppe von Gebäuden und Hütten vor, die auf der Landenge zwischen den zwei Flüssen Murray und Campaspe entstanden waren. Dazu Gast-haus, Rinderställe und eine Fähre. Eine Ortschaft, die unter den Reisenden „Hopwoods Ferry“ genannt wurde. Er regelte den ersten Landverkauf an Hopwood, dem sofort einer Ausdehnung und Ansiedlung aller möglichen Ge-werke folgte. Bald, nämlich im April 1855, hieß der Ort Echuca. Diesen Namen hatte 1854 Phillip Chauncy vorge-schlagen. Er orientierte sich dabei auf die Bezeichnung der Ureinwohner, die damit „Wasser“ meinten. Damals wurde der besitz von Hopwood auf 2.100 Pfund Sterling geschätzt. Und es ging unter Hopwood aufwärts im Ort. Die Stechkahnära endete als Henry 18 57 eine Pontonbrücke über den Murray baute. Diese beschleunigte den Transport nach Bendigo derart, dass Maidens Stechkahntransport aus dem Rennen war. 1857 bekam er vom Parla-ment als ein Zeichen der Anerkennung seiner verdienst die Rechte auf den Bau einer Zollpflichtige Brücke über den Campaspe verliehen. Die Stadt wuchs und gedieh. Darinnen auch Hopwoods Prestigeobjekt, das“ Bridge Ho-tel“ von 1859: Er besaß mittlerweile Weingüter, weitflächige Gartenanlagen und eine eigene Sägemühle. 1858 heiratete er seine dritte Frau. Nicht immer zur Freude der Bewohner kümmerte er sich auch viel um städtische Be-lange, um die Post, das Schulwesen und um die Herausgabe einer Zeitung, dem „Riverine Herald (1863)“.
„King Henry“ war damals sein Spitzname. Nach Kraft zehrenden „Grabenkämpfen“ mit der Großmetzgerei Mit-chel, mit dem James Shakell, der ihm sein Brückenmonopol streitig machte, nach gehäuften Schiffsunglücken im Hafen zog er sich 1864 vom öffentlichen Leben zurück. Im noch heute stehenden Apsley House verbrachte er seien letzten Jahre. 1868 erkrankte er an Typhus und starb am 1.Januar 1869. Im Alter von 56 Jahren.
er hinterließ eine blühende Stadt mit 1500 Einwohnern. Eine Stadt, die es ohne ihn nicht gegeben hätte. Er hatte einen großen Einfluss auf die Entwicklung des sogenannten Great Inland des Flusses. Und obwohl er niemals di-rekt in den Flusshandel investierte, durch ihn stieg das Ansehen dieser Sparte sehr.
Henry Hopwood, dessen Leben so wenig vielversprechend begann, entwickelte sich zu einem Showman, einem Visionär und einem extrem harten Arbeiter. Viel warfen ihm Arroganz und Angebertum vor. Zu seinen Freunden war er immer loyal und hilfsbereit. Und die Show des Henry Hopwood geht auch nach seinem Tod weiter. So strei-ten sich nun Echuca und Melbourne, wo er eigentlich begraben sei. In beiden Städten gibt es ein Grab mit seinem Namen. Die Worte auf dem Grabstein sind identisch. In Echuca steht allerdings noch ein Granit Obelisk zu seinem Gedenken.
Aber auch damit waren die Überraschungen, die Henry Hopwood für „seine“ Stadt parat hielt noch nicht zu Ende. In Vorbereitung auf den 100. Jahrestag der Gründung der Twin Towns wurde 1965 ein Buch dazu über die Städte geschrieben. Hier entdeckte die Historikerin Terry Anne Smith erstmals, dass Henry Hopwood ein von Tasmanien entlassener Sträfling war. Niemand hatte das vorher gewusst. Aber es kam noch schlimmer. Bei den Recherchen zum Buch über Echuca -Moama 1978 fand sie auch das Vorleben von James Maiden heraus.
Plötzlich gibt es sogar Hinweise, dass die beiden Gründungsväter sich auch vom Gerichtstag 1834 in Lancashire kannten. Nur Henry Hopwoods zweite Frau wusste von seinem Vorleben.
Was bleibt ist eine zusätzliche interessante Vermarktungsinformation für die Städte.
Und die Schlussfolgerung, die ich schon immer vertrete:
„In Australia ist alles möglich!“
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