Die Glasshouse Mountains
Die Stadt nannte sich nach dem Entdecker William Landsborough und war früher einen Cobb & Co Station. Wir fanden auf der Karte eine kleine mit „Glass House Mountains“ gekennzeichnete Region. Also runter vom Highway. Und bei Sonnenschein fahren wir durch eine hier nicht erwartetet Gegend. Wie aufgestellte Kegel stehen 12 phantastische Berge westlich der Strasse und wenigstens noch einer östlich des Bruce Hwy. Zu den eigentlichen Glasshouse Mountains zählt man elf ziemlich eng zusammenstehende Erhöhungen. Bald sehen wir an der rechten Straßenseite eine nette Unterkunft (Glasshouse Mountains Holiday Village), an deren Frontseite die deutsche, die französische und die Schweizer Fahne im Wind flattern. Im Garten vor der Rezeption steht eine Frau. Und erst beim Parken merken wir, dass es sich um eine Figur handelt. Der Besitzer der Unterkunft hatte die „Bettlerin“ beim Ausverkauf der Weltausstellung in Brisbane preiswert erworben. Die Frau stand mal an der South Bank. Zwischen dem Eigentümer und uns gab es sofort eine Blicksympathie. Wir unterhielten uns über unsere Reise, über meine Bücher, über das Wetter. Bald kam noch ein Hofarbeiter dazu, der sich an dem munteren plausch beteiligte. Dann sagte Guido zu meiner großen Überraschung in gutem Deutsch, dass ich ruhig Deutsch sprechen könne, seine Eltern stammen aus Holland. Wir mieteten einen sehr großen und schönen Bungalow. Zum Schluss wollten beide noch meinen beruf wissen. Und als sie Frauenarzt hörten, kam einer dieser unvermeidliche Witze (Unterschied zwischen Gynäkologen und Mechaniker), weil auch in Australien viele Männer denken, Frauenärzten kann man nur mit eindeutigen Zweideutigkeiten imponieren. Ich nahm meinen Schlüssel im Empfang. Guido, der Steuerrecht studiert hatte, verabredete sich mit mir auf ein Gespräch in den nächsten Tagen, wo wir über sein Leben und über die Wirtschaftspolitik Australiens reden wollten. Mit unserem Einzug in den Bungalow hatte der Regenteppich auch diese Gegend erreicht. Die Wiese vor dem Bungalow wurde langsam zu einem kleinen See, aus dem die Trittsteine wie Inseln herausragten. Glücklicherweise bestand ein hang zu einem Teich. Nach dort floss alles Wasser mit der Zeit ab. Die Temperatur fiel auf 26°C. Und in der Nacht benutzte ich zum ersten Mal auf diese Reise den Schlafanzug. Es schien sich alles gegen uns verschworen zu haben. Das Wasser aus der Dusche war eiskalt, meine Erkältung erreiche einen erneuten Höhepunkt. Doch Guido tröstete uns, dass ab morgen für mindestens drei Tage schönes Wetter sei. Diese Hoffnung zerstörte am Abend der Wetterbericht von TV ABC Trotzdem sind wir auch bei Regen am Nachmittag noch mit dem Auto etwas in der Gegend herumgefahren. Zumindest wollten wir eventuelle Ausflugsziele für den nächsten Tag schon mal anpeilen. Das ist eine wirkliche Urlauberoase hinter dem Bruce Hwy. Fünf Ortschaften, ausreichende Einkaufmöglichkeiten, Cafes, Restaurants, genügend Unterkünfte, einen Früchteladen, eine Auto Service Station und diese sehr ansprechende grüne bewaldetet Landschaft, aus der die Zipfelmützen der Berge herausragen.

Das ganze Gebiet ist das Ergebnis vulkanischer Tätigkeit vor 25 Millionen Jahren und der nachfolgenden Erosion. Und natürlich rankt sich um jede australische Naturbesonderheit auch eine Legende der Ureinwohner.
Tibrogargan, der Vater, und Beerwah, die Mutter, hatten neun Kinder. Sie lebten in einer Gegend mal üppig, mal spärlich, und nutzten auch die Möglichkeiten des Meeres zum Leben. Eines Tages schaute der Vater wieder einmal auf das Meer und beobachtete eine riesengroße Welle. Schnell befahl er seinen Kindern, sich auf die Berge, die im Westen lagen zu retten. Und er forderte Coonowrin, den Erstgeborenen, auf, seiner Mutter zu helfen, die schon wieder schwanger war Als er nach kurzer Zeit hunter sich schaute, sah er wie sein Sohn sich allein zu retten versuchte. Sichtlich verärgert verfolgte er Coonowrin, hob seinen Knüppel und schlug ihn derart, dass an dessen Nacken etwas verrutschte, so dass er nicht mehr aufrecht gehen konnte. Als das Wasser wieder ins Meer floss, kehrte auch die Familie zurück in die alte Wohngegend. Die anderen Kinder neckten Coonowrin wegen seiner schiefen Haltung. Der schämte sich, ging zu seinem Vater und bat um Verzeihung. Die wollte ihm sein Vater nicht gewähren, denn er war maßlos enttäuscht über die Feigheit seines Sohnes. Er weinte. Und die Tränen tröpfelten zu Boden, wurden zu einem Bach, zu Strom und flossen in das Meer. Also ging Coonowrin zu seinen Geschwistern. Aber auch die weinten aus Scham über die Feigheit ihres Bruders. Das Wegklagen und die Trauer der Eltern und Geschwister über diese Schande erklären die zahlreichen kleinen Bäche in der Gegend. Schließlich rief sich der Vater den Sohn und fragte ihn, warum er die Mutter allein gelassen hatte. Dieser meinte, die Mutter sei die Kräftigste von allen, und hätte sich durchaus allein helfen können. Zumal er nichts von der erneuten Schwangerschaft wusste, welch wohl die Ursache für ihr beträchtliches Aussehen war. Da drehte der Vater dem Sohn den Rücken zu und gelobte, ihn niemals wieder ansehen zu wollen.
Sogar noch heute starrt der Berg Tibrogargan auf die See und kehrt dem Berg Coonowrin, dessen Haupt abgekickt ist und dessen Tränen in das Meer fließen, den Rücken zu. Die Mutter, der Berg Beerwah, ist immer noch mit 556 Meter der mächtigste unter den Mountains. Es wird wohl lange dauern, bis ein Berg einen Berg gebärt.
Als am 17. Mai 1770 Cook die Gegend der heutigen Moreton Bay passierte, blendete ihn der Widerschein der Sonne von den Bergen. Ein Effekt, der ihn an die Glasmanufakturen in England erinnerte. So entstand der name Glass House Bay. Flinders, der 1799 hier landetet, hatte auf Bribbie Island einigen Ärger mit den Ureinwohnern. Deshalb nannte er das Gebiet Skirmish (Geplänkel) Point. Aber es war soviel Zeit, um den Mt. Beerburum, der 276 Meter hoch ist, zu erklimmen. Der Aufstieg zu diesem Gipfel wird noch heute als eine „gesunde Wanderung“ bezeichnet. Sein Versuch, den Mt. Beerwah zu erklimmen, scheiterte, trotz zwei Begleitern und einen Führer. Und vor dem sehr steilen Aufstieg wir noch heute gewarnt.
1824 gab es am Redcliffe Point ein Strafgefangenenlager. Mit der Verlegung des Lagers in die Gegend des heutigen Brisbane, wurde das Gebiet ab 1842 zur Besiedlung frei gegeben.
Eine sehr gesuchte Ausflugsstätte ist der Australische Zoo. Vielleicht auch wegen des Australiers 2002 Steve Irwin. Im vorherigen Buch hatte ich über ihn berichtet. Stolz nennt sich der Zoo „Home of the Crocodil Hunter“. Neben Krokodilen sind dort Riesenschlangen Koalas, Wompats und Kamele als besondere Attraktionen zu beobachten.
Der erste Abend in der Unterkunft, ich hustete, nieste und schwitzte eben wie ein Grippekranker, war das Ende der Leidensfähigkeit noch nicht erreicht. Die Nachbarn feierten laut und singend, viele Frösche quakten im Teich, meine australischen „Lieblingstiere“ ,die Grillen, begannen ihr Liebeswerbungskonzert, die Trucks auf der Straße hörte man wie neben dem Bungalow, mehrere Züge fuhren mit lautem Signal an dem etwa 200 Meter entfernt liegenden Caravan Park vorbei und ad war noch so ein tiefes grunzendes Geräusch, das ich nicht genau lokalisieren konnte. Da ging es mir endlich nach einer Akupunktur besser. Und nun dieser Lärmangriff. Aber ich hatte nicht mit der Fremdenfreundlichkeit der Aussies gerechnet. Ab 21.30 Uhr war schlagartig Ruhe. Ob in der Glass House Mountains Region auch die Tiere Uhren haben?
Im Fernsehen wurde auch nun schon seit Tagen über das Todesurteil gegen einen Australier in Singapur diskutiert. 400 g Heroin versuchte er aus dem Land zu schmuggeln.
Trotz aller Gnadengesuche wurde er schließlich hingerichtet.
Am nächsten Morgen ging es mir schon deutlich besser. Guido hatte Recht. Die Sonne schien. Es war schon 08.00 Uhr ziemlich warm. Die Sunshine Coast mußte 3 Tage Dauerregen überstehen. Besonders der exklusive Badeort Noosa Head bekam jeden Tag rund 260 mm Regen ab. Die meisten Häuser standen unter Wasser, Straßen waren einfach weg gebrochen und an Baden war nicht mehr zu denken.
Aber hier herrschte Sonne pur. Was für eine tolle Gegend. Du fährst die Strasse lang, und nach der Kurve kommt ein Berg, nach der nächsten Kurve der nächste Berg. Unser erstes Ziel war Mt. Beerburrum, eine 276 Meter hohe Felssäule. So könnte ich später sagen, in Flinders Spuren gewandelt zu sein. Aber Matthew Flinders hatte sicherlich keinen asphaltierten Aufstiegsweg vorgefunden. Mann, ging das steil nach oben. Etwa 1000 Meter supersteiler Anstieg. Da mußte sogar ich eine Pause einlegen. Der Begriff „Gesundheitsspaziergang“ ist eine Verhöhnung der Kletterer. Immer steht in den Touristeninformationen, dass die wunderbare Aussicht alle Anstrengungen vergessen lässt. Naja! Es war auf alle Fälle eine ziemliche sportliche Herausforderung für einen Grippekranken. Und auch Dagmar, die unten gewartet hatte, kam noch zu ihrem Rundblick. Der 589 Meter hohe „Lookout 589“ ist mit dem Auto zu erreichen.
Bis zur Küste kann man sehen. Und der 800 Meter lange Rundgang unterhalb des Lookouts war leicht und bot eine ebenso interessante Vegetation, wie einen schönen Ausblick. Eine Besonderheit ist das hier wachsende Leptospermum leuhmanii, eine Myrtenart.
So sind wir zu verschiedenen Bergen gefahren. Am höchsten Mt. Beerwah, dem Mutterberg, werden drei Touren angeboten. Darunter auch eine 2,6 Km lange sehr steile und schwierige Gipfeltour. Und haben die Eucalyptus- Wälder am teilweise bewachsenen Berg sehr gefallen. Die hatten wir schon vom Lookout gesehen. Und das Berghochland, sowie das Buschland. 23 Hektar Wald, 1930 gepflanzt, sind vom Aussichtspunkt einzusehen. Queensland kann 85% des Holzbedarfs aus eigenem Holzschlag sichern. Deshalb gibt es auch ständig Neuanpflanzungen. Der derzeitige kommerzielle Wald darf erst 2020 gefällt werden.
Am Mt. Nyungun ging es 800 Meter gemütlich hinauf und dann kam ein Steilstück 600 Metren, das mich an den Mt. Warning bei Murwillumbah in NSW erinnerte. Als ich oben war suchte ich zunächst eine Couch, dann dachte ich sterben zu müssen. Aber mit der zeit erholte ich mich. Hie gibt es eine Stelle, wo der vulkanische Ursprung durch Kaskaden von hexagonalen Säulen sehr schön zu sehen ist.
Der Mt. Coonowrin (auch Mt. Crookneck) wird in einigen Reisführern noch als beliebter Kletterfelsen angegeben. Der Nickname „Danger Mountain“ ist ein Hinweis auf die vielen Unfälle am Berg. Er ist heute für Kletterer verboten. Trotzdem gibt es genügend Irre, die sich daran nicht halten und durch die Lücken im Zaun zum Berg gehen.
So sind wir viele der 11 Berge zumindest angefahren und sind wenigstens einige Schritte am Grund gegangen.

Sollten sie jemals von Brisbane noch Norden fahren, planen sie wenigstens zwei Tage Aufenthalt im Glasshouse Mountains Holiday Village ein. Und grüßen sie Guido Schouteten und seine Familie von uns. War ein toller Stay!
ditido